Mehrere Schautage im Dezember beim Modelleisenbahnclub in der Pestalozzistraße 79
Eine weiße, lang gezogene Holzbaracke steht in der Pestalozzistraße. Uneingeweihte mögen sich fragen, was sich wohl dahinter verbirgt. Wer es nicht bereits weiß, würde kaum vermuten, dass sich hier eine atemberaubende Modelleisenbahn-Landschaft befindet.
Seit 1986 hat der Kieler Modelleisenbahn-Club (MEC) in der Pestalozzistraße 79 seinen Sitz.
Geschichtsträchtiger Ort
Allein das Gebäude hat eine spannende und skurrile Geschichte. Die Holzbaracke war früher ein Ledigenheim für Postbeamte. Unverheiratete Postbeamte haben hier gewohnt. Unter dem Gebäude befindet sich ein riesiger Fernmeldebunker. Das Ledigenheim wurde in den 80er-Jahren geschlossen. Wegen des unterirdischen Bunkers darunter ist der Boden nur begrenzt tragfähig. Daher konnte die Stadt Kiel die Fläche nicht nutzen.
MEC-Geschäftsführer Günter Claas erzählt: „Ein Bekannter von der Post wusste das und sagte uns Bescheid. Wir haben es dann gepachtet.“ Bei der Übergabe war die Baracke noch in einzelne Zimmer unterteilt. Eigenhändig haben die Mitglieder sie so umgebaut, dass Platz für die riesigen Modelleisenbahnanlagen geschaffen wurde.
Krisen und steigende Kosten
Seit Jahrzehnten wird hier jeden Mittwoch ab 15 Uhr geschraubt und gewerkelt. Die Corona-Krise setzte dem Modelleisenbahn-Club jedoch kräftig zu. Weil keine Besuchertage ausgerichtet werden konnten, wurde der Verein nur noch über die Mitgliedsbeiträge finanziert. Kaum war die Corona-Krise vorbei, kam die Gas-Krise. „Die Nebenkosten sind astronomisch gestiegen“, berichtet der Vorsitzende Burkhard Leo. Aktuell fehlen Mitglieder. „Wir leiden unter chronischem Mitgliederschwund“, stellt er fest. „Das ist teilweise auch biologisch bedingt.“ Mehrere altgediente Mitglieder sind in den letzten Jahren verstorben.
Das alles sind aber keine Gründe, den Betrieb einzustellen. Dafür ist die Leidenschaft zu groß. Viele Mitglieder sind seit Jahrzehnten dabei. Als Burkhard Leo, Günter Claas und Dieter Meetz die Anlagen zeigen, klingt pure Begeisterung in jedem Wort mit.
Auf die naive Frage, ob die Einzelteile der Miniaturlandschaften gekauft werden, reagieren Claas und Leo beinahe empört: Selbstverständlich wird alles selbst gebaut! Die Felsen werden mit Baumrinde geformt, die Weinstöcke mit Stecknadeln errichtet. Für die Laubbäume werden Blumendraht, Sägespäne und Watte verwendet. Die Berge sind aus Styropor. Trotzdem sieht alles täuschend echt aus.
Bei einem Kaffee im Nebengebäude erzählen die Mitglieder von ihrer Passion. Alle haben als Kinder mit Modelleisenbahnen gespielt. „Das war früher Standard“, meint Burkhard Leo. Günter Claas erzählt, dass sein Vater dessen Modelleisenbahn nur zu Weihnachten aufgebaut hat. Das war natürlich ein Highlight.
Modellbahnen im Wandel der Zeit
Generell wird auf die Vergangenheit nostalgisch zurückgeblickt. „Damals konnten wir aus dem Vollen schöpfen“, erinnert sich Dieter Meetz. In den 70er- und 80er-Jahren waren Modelleisenbahnen noch beliebt.
Die Eisenbahnen waren zu diesen Zeiten ein robustes Spielzeug. Heute sogar bei Aldi erhältlich, wurden sie früher nur von ausgewiesenen Händlern verkauft. „Die alten laufen heute noch, ohne dass das Getriebe irgendwelche Macken macht“, weiß Burkhard Leo zu berichten. Eine dieser alten Lokomotiven wird gerade zum Laufen gebracht. Sie ist über 40 Jahre alt und funktioniert einwandfrei.
Das Hobby wird mit großer Akribie verfolgt. Der Verein reist zu Messen in ganz Deutschland, um seine Anlagen vorzustellen. Burkhard Leo wurde für seinen Nachbau des ehemaligen Chicago-Bahnhofs von der renommiertesten Modelleisenbahner-Zeitschrift ,Model Railroader‘ mit dem ,Award of the Month‘ ausgezeichnet. „Den bekommt man nicht einfach so“, erklärt Dieter Meetz stolz.
Profession und Gelassenheit gehen im Kieler Modelleisenbahn-Club Hand in Hand. Eine Küche im Nebengebäude zeugt von Gemütlichkeit und Geselligkeit. Während des Werkelns im Hauptgebäude ertönt im Hintergrund leise Klassik-Radio. Manche tauschen sich aus, andere arbeiten lieber für sich. Das alles schafft eine entspannte, wohlige Atmosphäre.
Der Verein konnte kürzlich zwei neue Mitglieder begrüßen. Während ich mir die fantastischen Landschaften anschaue, klopft es an der Tür und der 14-jährige Tjelle kommt herein. Er ist noch zu jung, um Vereinsmitglied zu werden, mischt aber bereits kräftig mit.
Besuchertage im Dezember
An den Wochenenden 2./3. und 9./10. Dezember werden die Anlagen in der Zeit von 13-18 Uhr öffentlich vorgeführt.JA