Seit einem Jahr führt er Interviews, besucht Archive, sichtet Noten, Bilder, Texte. Der Hamburger Liedersänger und -sammler Jochen Wiegandt stellt im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Heimatbunds Material zusammen für ein neues Liederbuch für Schleswig-Holstein. Als buntes Lese-, Zeige- und Singe-Buch soll es wieder Lust machen auf Singen und gemeinsames Musizieren.
Als Referent für Niederdeutsch und Friesisch betreut Jan Graf das Projekt beim Heimatbund und traf Jochen Wiegandt zum Halbzeit-Klöönsnack. KIEL LOKAL veröffentlicht einen Auszug, das ganze Gespräch steht auf der Seite www.heimatbund.de.
Graf: Welche Geschichte bearbeitest du gerade?
Wiegandt: Da ist zum Beispiel die Geschichte mit den Ostseewellen, die ja dann zu Nordseewellen geworden sind. Wir wissen, dass das Lied eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern gekommen ist. Dann hat ein gewisser Herr Fischer-Friesenhausen aus Soltau gedacht: „Ach, da kann ich ja Geld mit verdienen“, hat sich das unter den Nagel gerissen und dann die Nordseewellen draus gemacht. Und die alte Dame Martha Müller-Grählert, die das Lied geschrieben hat damals, hat so gut wie nichts abbekommen. Auch der Komponist ist relativ leer ausgegangen.
Graf: Du suchst auch nach den kleinen Geschichten, solchen, die viele von uns ganz persönlich mit Liedern verbinden.
Wiegandt: Die meisten Menschen nehmen Lieder wahr, als etwas, was gedruckt ist und auf dem Papier steht und mit Noten und Texten bekannt ist. Früher war das Singen anders. Da haben die Leute das Lied nach dem Gedächtnis nicht mehr ganz richtig zusammengekriegt und dann irgendwas Neues gesungen. Wenn ich zum Beispiel höre, dass bei Familienfeiern früher gesungen wurde: „Maria und Josef, die hatten in Jerusalem ein Buttermilchgeschäft – in der Heimat gibt’s ein Wiedersehen“, dann sage ich: „Kann ich mir das mal eben aufschreiben? Die hatten in Jerusalem ein Buttermilchgeschäft? Das ist ja ganz eigenartig …“ Und dann schreibe ich mir das auf, und dann kommt der typische Satz: „Ach so etwas suchen Sie? Aber das ist doch gar nicht kulturell wertvoll …“