Traditionsreiches Anwesen

Das 1885 gebaute Wohnhaus vor 100 Jahren mit dem Urgroßvater und seiner Familie.

Nahe dem Vieburger Gehölz befindet sich etwas versteckt der Hof Petersburg. Der Name deutet auf eine historische Bedeutung hin. Und tatsächlich verbindet diesen Ort mehr mit der europäischen Geschichte, als wir zunächst ahnen.

Da das Gelände privat ist, hat KIEL LOKAL um einen Besuchstermin gebeten. So ermöglichen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen exklusiven Einblick auf einen historisch bedeutungsvollen Ort, der sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Der Eigentümer des Hofes bittet eindringlich darum die Privatsphäre zu wahren.

Ortstermin auf Hof Petersburg
Unser Redaktionsteam radelt den langen, unbefestigten Zufahrtsweg zur Hofstelle. In einigen Schlaglöchern spiegelt sich der Himmel, alte Bäume säumen den Weg.
Carsten Mordhorst öffnet die doppelflügelige Tür des Wohnhauses. Er wohnt heute in demselben Haus, in dem er vor 68 Jahren geboren wurde und in dem schon viele Generationen seiner Vorfahren ihr Leben verbracht haben.
Wir erwarteten eine plüschig-barocke Einrichtung, doch alles ist modern und zeitgemäß. Das 1885 gebaute Backsteinhaus ist aufwändig gedämmt, ohne dass das historische Ensemble in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Einige Dinge sind doch besonders. Die Mordhorsts sind sich der Tradition ihres Hofes bewusst, auf dem die Familie seit 14 Generationen lebt. In der Diele fällt ein Portrait des Zaren Peter III. ins Auge. „Kein wertvolles Original”, beeilt sich der Hausherr zu betonen. Vielmehr sei dies eine gut gelungene Replik.

Abriss aus der Geschichte
Dazu muss man wissen, dass Herzog Carl Friedrich auf diesem Hof vor rund 300 Jahren ein Jagdschloss bauen ließ, das er im Gedenken an seine alte Wahlheimat Petersburg nannte. Reichtum zeichnete diese Zeit nicht aus. Es wird von „sehr bescheidenen Verhältnissen” gesprochen. Aber Bescheidenheit war bei Herzögen sicherlich relativ.
Vermählt war der Herzog mit der ältesten Tochter von Peter dem Großen. Anna Petrowna verstarb allerdings schon mit 20 Jahren an Tuberkulose, kurz nach der Entbindung des Sohnes Peter Ulrich, der später als Peter III. kurzzeitig den Zarenthron besteigen konnte.
Peter ist in Kiel geboren. Ob er auf Hof Petersburg aufgewachsen ist, ist nicht bekannt. Lange gelebt hat er hier jedoch nicht. Mit dem Tod des Vaters – erst 39 Jahre jung – wurde er mit elf Jahren Vollwaise.

Erbstück des Urgroßvaters
Zurück in die Gegenwart. Von der Decke in der Diele hängt ein dreiarmiger Leuchter, Erbstück seines Urgroßvaters. „Für jedes seiner drei Kinder eine Glühlampe”, sagt Carsten Mordhorst und lächelt vielsagend, als wir ihn auf die weiteren vier Glühlampen ansprechen, die offensichtlich später in den Leuchter integriert werden mussten.
Während unseres Gesprächs im Wohnzimmer kramt er einige Mappen hervor. Sie enthalten alte Urkunden, Bleistiftzeichnungen der Reetdachkate, historische Fotos des Hofes und der Familie seines Urgroßvaters, für den Fotografen sorgfältig auf einer Holzbank vorm Gutshaus in Stellung gebracht. Die Bank existiert noch heute, doch steht am Nebeneingang. Ein paar Spax-Schrauben beweisen, dass der Zahn der Zeit nicht ganz spurlos daran vorbeigegangen ist.
Schließlich faltet Carsten Mordhorst noch den Ahnenstammbaum auseinander, der bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Er endet vor fast 100 Jahren. „Hier ungefähr würde ich stehen“, meint er und zeigt auf eine Stelle unten rechts, schon außerhalb des Blattes.

Landwirtschaft ist heute nur noch Nebenerwerb
Die ehemalige Hofstelle wird heute nur noch im Nebenerwerb betrieben. „Wir sind kein echter Biohof,“ räumt er ein, „aber auch nicht mehr komplett traditionell.“ Aufgegeben habe man die Landwirtschaft noch nicht, aber sie ist eben auch nicht mehr der Haupterwerb. „Wir leben jetzt von unseren Alterseinkünften.“
In Zeiten der sich immer weiter verteuernden Energie ist er froh, rechtzeitig in die Dämmung der historischen Gebäude investiert zu haben. Die Kaminöfen sorgen zudem für wohlige Wärme. In den hofeigenen Wäldern und Knicks fällt übers Jahr genug Bruchholz an. „Letztes Jahr haben wir fast kein Gas verbraucht“, freut sich Mordhorst. Dieser Tage verschwindet die letzte Ölheizung auf dem Hof und wird durch eine Gasheizung ersetzt. „Als wir das beauftragten, konnten wir nicht ahnen, dass jetzt eine Gasknappheit kommt.“

Fast 200 Jahre alte Scheune
Der Hofherr führt uns über das Gelände. Zuerst zur Scheune von 1827. „Früher war die mit Reet gedeckt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir als Kinder die Löcher im Dach geflickt haben“, sagt er und leitet uns weiter auf die Rückseite der Scheune. Dort vergleichen wir die Ansicht mit einem alten Gemälde. Sonderlich viel hat sich nicht verändert, abgesehen mal von der Satellitenschüssel und dem Schornstein.
Die Sprossenfenster sehen von außen noch so aus wie früher, sind innen aber um ein weiteres Thermopenfenster ergänzt.

Ställe zu Wohnraum umgebaut
Zwei Schweine liegen träge in ihrem offenen Unterstand im Schatten. Ein paar Hühner scharren im Garten, vier Schafe käuen auf der Weide. Die Landwirtschaft wurde auf Grünlandbewirtschaftung umgestellt. „Das gibt es hier nur noch, damit ich was zu tun habe”, meint Mordhorst mit einem Lächeln. Lediglich der große Traktor erinnert an einen Bauernhof. Am Vortag hat er das Gras gemäht, am Abend kam dann der Regen. Carsten Mordhorst zuckt mit den Schultern. „Egal, bis Ende der Woche ist das Heu trocken.”
Die meisten der denkmalgeschützten Stallgebäude wurden längst in Wohnraum umgebaut, zuletzt nach der Wende, als die gesetzlichen Vorgaben wegen der angespannten Lage am Wohnungsmarkt etwas gelockert wurden.

 

Von der 300 Jahre alten „Russenkate“ steht heute nur noch das Fachwerk am Giebel. Der Rest vom Haus wurde in den 60er-Jahren neu aufgemauert.

 

 

 

 

 

 

Fassade der alten „Russenkate“
Von dem einstigen Jagdschloss ist heute nichts mehr zu sehen. Auch die Lage kann nur vermutet werden, irgendwo in der Nähe der Neuen Hamburger Straße in der Feldmark. Eine Scheune gehörte dazu. Die ist 1827 abgebrannt, und auch deren Standort ist nicht mehr nachvollziehbar.
Carsten Mordhorst zeigt frische Ausgrabungen und Ziegelfunde, die möglicherweise von besagter Scheune stammen könnten.
Unweit entfernt steht die sogenannte „Russenkate“, in der vor 300 Jahren die Wachsoldaten für Anna Petrowna gewohnt haben sollen. Vom alten Fachwerkhaus ist allerdings nur noch der Giebel erhalten. Der Rest vom Haus wurde in den 60er-Jahren neu aufgemauert und vor ein paar Jahren mit einer Wärmedämmung versehen.
Durch das Gelände zieht sich ein schmaler Weg. Die Zuwege zu Hof Petersburg sind privat und der Eigentümer bittet darum, dass das auch geachtet wird. Leider gibt es Navigationssysteme, die Autofahrer über das Hofgelände leiten, z.B. weil der Meimersdorfer Weg zu Zeiten der Krötenwanderung für Autos voll gesperrt ist.
Und es ist schon passiert, dass Touristen einfach bei den Mordhorsts im Garten herumspazierten.

Privatsphäre bitte wahren
Aber das ist nichts gegen einen Vorfall, als eine Spaziergängerin verbotswidrig einen Hochsitz erklomm, abstürzte und das kleine Anwesen von drei Rettungswagen hochgeschreckt wurde. Auf solche bösen Überraschungen kann Mordhorst in Zukunft allzu gern verzichten. JM