Oberbürgermeister Ulf Kämpfer reibt sich freudig die Hände, bevor er verkündet: „Kiel bekommt eine Straßenbahn“.
Viele Mobilitätsarten hätte die Stadt Kiel bereits angeschoben, doch „ohne höherwertiges ÖPNV“, so Kämpfer, „sei kein Klimaschutz möglich“. Bisher liegt der Anteil an ÖPNV in Kiel bei 10 %. Das möchte die Stadt Kiel verdoppeln. Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, Dirk Scheelje, hatte vor vier Jahren den Antrag gestellt und auch sein Kollege Achim Heinrichs (SPD) betont: „Ich bin selbst Busnutzer und das Bussystem hat seine Möglichkeiten überschritten“. Es braucht also etwas Neues.
Zunächst wurden zwei Jahre lang in einer Grundlagenstudie die beiden denkbaren Systeme für Kiel untersucht: Bus Rapid Transit (BRT) und die Tram. Tramfahrzeuge sind in der Regel doppelt so lang wie ein BRT und können mit einer höheren Taktdichte fahren. Es wurde ergebnisoffen angefangen und beide Systeme unter Faktoren wie Nutzerfreundlichkeit, Betrieb, Umwelt oder Wirtschaftlichkeit geprüft. So berichtet der Projektleiter des Planungsbüros Rambøll, Nils Jänig: „Das ist die erste Studie dieser Art in Deutschland, die es so ausführlich verglichen hat.“ Mit den Kieler Bürgerinnen und Bürgern fanden parallel viele Beteiligungsprozess statt, um breite Akzeptanz zu schaffen.
Nach ausführlicher Betrachtung von 47 Kriterien geben die Gutachter einen eindeutigen Vorschlag: auf die Schiene setzen. Die Tram schneidet deutlich besser ab. Die Gutachter erklären: „Beide Optionen verbessern die Situation signifikant, aber die Tram ist dem BRT in der Zielerreichung deutlich überlegen.“ Im November wird die Ratsversammlung darüber final abstimmen, doch das wird nur noch Formsache sein. Alle Signale stehen auf grün, denn nach anfänglichen Diskussionen und Kompromissen wurden die Ergebnisse von den Politikern sehr einvernehmlich beschlossen. Auch Ulf Kämpfer ist „außerordentlich zufrieden mit dem Ergebnis“. Vier Tram-Linien sollen nun die Stadtteile verbinden und werden etappenweise aufgebaut.
Die Kapazitätsreserven sind bei der Tram besser und auch auch umwelttechnisch schneidet sie besser ab. Die Investitionskosten liegen bei rund 360 Millionen Euro. Das Projekt wird die Stadt knapp eine Milliarde Euro kosten. Das ist für die Stadt allein durch Steuergelder nicht zu tragen. Fördergelder vom Bund gibt es nur für die Tram. Und so können nun 90 % der Kosten durch Förderung eingetrieben werden.
2033 soll die erste Tram fahren. Die erste Strecke wird vom Bremerskamp der CAU über die Holtenauer Straße bis nach Wellingdorf gehen. Die Stromversorgung soll dabei teilweise über den Straßen verlaufen und ergänzend außerhalb der Innenstadt. 35,8 Kilometer Strecke soll so befahren werden. Dazu kommt ein ergänzendes Busnetz mit zahlreichen neuen Buslinien. „Da stehen wir hinter und haben die Hoffnung, dass so mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen“, erklärt Weigel. Ein großes Augenmerk liegt auf einer barrierefreien Nutzung. „Denn alle Leute, die ÖPNV nutzen wollen, sollen das auch tun können“, betont Heinrichs. Wieso die Umsetzung so lange dauert? „Das ist gleichzeitig auch ein riesiges Städtebauprojekt“, so Gernhuber. „Doch das bedeutet auch eine große Chance auf eine Klima- und Verkehrswende.“
Was soll im Kieler Südenpassieren?
Heinrichts äußert: „Wir haben euch aus dem Kieler Süden nicht vergessen“, doch Scheelje betont, es sei eine „knifflige Frage nach der Anbindung des Südens“.
Das Industriegebiet Wellsee gehört zu einem der größten in der Umgebung und ist dadurch für die Politik ein ‚Muss‘ beim Ausbau der ÖPNV-Anbindung. Doch bisher reicht keine der geplanten Tram-Linien bis in den Süden. Im Falle einer zukünftigen stärkeren Stadtentwicklung des Kieler Südens ist eine potentielle Erweiterung der Tram bereits formuliert. Diese würde aus Richtung der Vorstadt bis nach Schulensee, andere Verbindungen bis nach Meimersdorf und Wellsee verlaufen.
Abgesehen von der Tram, soll auch das Schnellbussystem erweitert werden. Doch für einen Schnellbus würden im Kieler Süden die Nutzerzahlen nicht reichen. Das normale Busnetz werde allerdings auch in den südlichen Stadtteilen um weitere Buslinien erweitert werden. So wird es z. B. eine lokale Erschließung Hassees oder mehrere zusätzliche Buslinien durch Meimersdorf, Moorsee und Wellsee geben. Auch Teile Russees werden von einer neu geplanten Buslinie abgedeckt. Hammer, Schulensee und Rammsee sind bisher nicht berücksichtigt.
Fest steht, dass nach aktuell umzusetzenden Plänen im Kieler Süden die Mobilität rund ums Fahrrad verbessert werden soll und auch der Autobahnausbau vorangetrieben wird. Zudem sind derzeit ein S-Bahn-Zubringer und Neuerungen bei der Bahn in diesem Bereich in Planung.
VB