Die Tragödie Faust von Johann Wolfgang Goethe wurde seit vielen Jahren nicht mehr in Kiel aufgeführt. Bei den Premieren am 20. und 21. September im Kieler Schauspielhaus kam es nun zu einer fulminanten Wiederkehr des meistgespielten deutschen Dramas.
Mephistopheles eine Frau?
Neue Wege geht die Kieler Faust-Inszenierung insbesondere bei der Besetzung der Rolle des Mephistopheles mit einer Frau. Es ist ein kluger Schachzug der Regisseurin Annette Pullen, die weiß, dass die Tragödie Faust bereits in allen Facetten landauf und landab inszeniert wurde. Aber Mephisto, der für gewöhnlich von älteren Männern gespielt wird, als Frau? Das war neu. Und es war brillant umgesetzt von Anne Rohde, die trotz ihrer zierlichen Gestalt die Bühne ganz für sich einnahm und die Figur des Faust, gespielt von Imanuel Humm, manchmal beinahe etwas blass erscheinen ließ. Mehr Krähe, als Schlange glitt die 29-jährige Schauspielerin mit sanften, verführerischen Bewegungen über die Bühne und züngelte Faust um seinen Verstand oder sie explodierte in expressiven, obszönen Gesten beim Liebesakt zwischen Gretchen (Tiffany Köberich) und Faust.
Zwei Welten getrennt durch Gummibänder
Innovativ wirkte auch das durch Minimalismus bestechende Bühnenbild. Die Bühnenbildnerin Iris Kraft trennte das Diesseits vom Jenseits durch elastische Gummibänder, die horizontal über die Mitte der Bühne gespannt waren. Sie dienten als Projektionsfläche für Bilder aus dem Jenseits, als Instrument Fausts für den Mord an Valentin (Maximilian Herzogenrath), Gretchens Bruder oder schlichtweg als Kletterinstrument für Mephisto.
Die Kieler Faust-Inszenierung als Spiegel unserer Zeit?
Nach gut zwei Stunden war das Bühnenspektakel dann auch schon vorüber und wirkte doch nach. Faust in einem rosa Anzug? Der HERR (Yvonne Ruprecht) und Mephisto gespielt von Frauen? Lieder der Rolling Stones als Untermalungsmusik? Die Ambivalenz in diesen einfachen, aber signifikanten Innovationen transformierten den weit über 200 Jahre alten Stoff in das 21. Jahrhundert, das eben bunt und nicht mehr stereotyp ist. Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem Applaus.
Foto: Theater Kiel