Am 6. Oktober 2017 soll das fünfte Journal des Geschichtskrei-ses „Rund um den Russee“ erscheinen. Auf 64 Seiten sind mehrere historische Beiträge aus der Region zusammengetragen. Sandra Haase berichtet über die Geschichte Hammers, Hartmut Gieche über Luftverteidigung im Zweiten Weltkrieg in Russee, Hassee und Hammer, Robert Bartels über den Redderkamp und Olaf Busack portraitiert den ehemaligen Leiter der Grundschule Russee, Otto Gerlach.
Ein Hasseer Thema ist die Geschichte der Waldwiese. Der Text stammt aus dem Archiv einer Bewohnerin aus der Seniorenresidenz Waldwiese, die auf genau diesem Grundstück gebaut wurde. Die Leserin hat der Redaktion von KIEL LOKAL mehrere Exemplare des Anzeigenblatts „Hasseer Umland“ aus dem Jahr 1986 zukommen lassen. Über sieben Ausgaben hatte damals Ingeborg Duggen einen detailreichen Beitrag veröffentlicht. Dieser enthält sowohl Zitate von Zeitzeugen als auch Zeitungsberichte aus dem vergangenen Jahrhundert. Eine spannende Lektüre, von der wir hier Auszüge präsentieren:
Die Geschichte der Waldwiese beginnt im Jahr 1892. Gegründet wurde sie von den Gebrüdern Busch und Steffens. Das Grundstück erwarben sie vom Hof Krusenrott. Der Vollrathsbach wurde angestaut und versorgt auch heute noch den Waldwiesenteich mit Wasser. Am Nordufer bauten sie das Etablissement „Zur Waldwiese“. Außerdem errichteten sie einen Seepavillon und legten rings um den Teich einen Park an. Der Pavillon wurde bereits Ostern 1892 in Betrieb genommen. Es wurde Bockbier vom Fass der Aktienbrauerei in Kiel ausgeschenkt. Das Lokal wurde am Pfingstsonntag 1892 eröffnet.
Die Begründer priesen in ihren Anzeigen die gediegene, solide Ausführung, die romantische Lage am Gehölz, die vorzüglich eingerichteten Veranden mit prachtvoller Aussicht, den schattig angelegten Garten und den idyllischen Wiesenpavillon an. Zur Abhaltung von Vergnügen, Versammlungen und Ausstellungen empfahlen sie ihre Räumlichkeiten, die 6.000 Personen ein Unterkommen gewähren konnten.
Ein vielfältiges Programm lockte Besucher. Aus Lübeck und Hamburg holten die Betreiber des Etablissements Sänger, Schauspieler und Orchester, um die Gäste mit volkstümlichen Opernaufführungen zu unterhalten. Hinzu kamen Varieté-Künstler.
Der Betrieb wurde durch mehrere Besitzerwechsel beeinträchtigt. Interessant wurde es wieder, als der Restaurateur Rudolf Langerfeld die Waldwiese erwarb. Er vermochte ihr neue Anziehungskraft zu verleihen. Lassen wir ihn selbst berichten:
„Größere Veranstaltungen fanden vor allem während der Pfingstwoche statt. Es waren Volksfeste mit allen möglichen Belustigungen. Auf dem Sportplatz luden Karusselle, Schaubuden, Schießbuden und ein Flohzirkus zum Besuch ein. Im Garten fanden Militärkonzerte statt, und ein Turmseilläufer zeigte seine Kunst. Abends wurden Garten und Teich festlich illuminiert, und in den Sälen wurde getanzt.
Mehrere Male wurde eine sogenannte Völkerschau gezeigt, u.a. eine Karawane von Nubiern vom oberen Nil. Ein anderes Mal konnten die staunenden Kieler eine Gesellschaft von Indern bewundern. Unter ihnen befanden sich Schlangenbeschwörer und Zauberer.
In den Sommermonaten veranstaltete ich Vergnügungen aller Art für Jung und Alt. Für die Kinder gab es Vogelschießen, Eselreiten, Horizontaldreieckreiten, Preisschießen mit Armbrust, Kringelbeißen und Stangenklettern; für Erwachsene Preisschießen und Preiskegeln. Eine Kegelbahn befand sich auf der Waldseite des Sportplatzes.“
Am 21. August 1903 verkaufte Herr Langerfeld die Waldwiese aus Krankheitsgründen an Wilhelm Gau, in dessen Besitz sie 15 Jahre verblieb. Zu dieser Zeit wurden eine künstliche Eisbahn und Kinovorstellungen neu eingeführt.
In den besten Zeiten wurden hier 10.000 Gäste von bis zu 120 Kellnern bewirtet. Im Ersten Weltkrieg dienten die Räumlichkeiten als Kaserne, im Zweiten Weltkrieg als Lazarett-Bunker. 1941 brannte bei einem Bombenangriff ein Flügel nieder. Der kleine Saal, die halbe Küche und das Treppenhaus fielen dem Brand zum Opfer. Die Küche wurde jedoch weiter benutzt, wenn im Feensaal größere Veranstaltungen stattfanden.
Bei einem der schlimmsten Luftangriffe, im August 1944, brannte die Waldwiese völlig aus. Die leeren Mauern wurden wegen Einsturzgefahr eingerissen.
Nach dem Krieg baute Herr Eichelberg die verbliebenen Kellerräume wieder aus, eröffnete dort das Tanzlokal Fledermaus. Im Vorgriff auf einen Wiederaufbau stattete er die Räumlichkeiten pompös mit viel Marmor aus.
Die Tischlerarbeiten führte die Tischlerei Zwintzscher aus. Ernst Zwintzscher erinnerte sich lebhaft an den Auftrag, weil es die erste neue Arbeit nach dem Krieg war: „Herrlich, nach all der Flickarbeit!“ Und er selbst durfte die neuen Räume mit einweihen. Die erste Festlichkeit in der Fledermaus war das Innungsfest der Kieler Tischlerinnung. Es fand noch vor der baupolizeilichen Abnahme statt, ermöglicht durch eine Sondergenehmigung von Oberbürgermeis-ter Andreas Gayk.
Wenn hier Bälle stattfanden, war der Garten offen, feenhaft beleuchtet, das weiße Haus wieder Parkvilla, und vom Waldrand her klang ein Trompetensolo. Die Fledermaus war nicht nur Tanzlokal, sondern auch Kabarett und Bar.
Bis November 1952 wurde das Gebäude so weit wiederaufgebaut, wie man es bis zum Abriss kannte. Im vorderen Teil des Gebäudes wurde ein Kino eingerichtet, die Scala.
1958 wurde die Fledermaus geschlossen. Opel erhielt im Erdgeschoss Ausstellungsräume. 1960 schloss das Kino seine Pforten und wurde umgewandelt in ein Tanzlokal. Bis zum Herbst 1985 hat die Tanzschule Ströhemann-Brink die Räume genutzt, die im Jahr darauf abgerissen wurden.
Am 6. Juni 1986 wurde der Grundstein für die Senioren-Wohnanlage gelegt. Für die Stadt Kiel sprach Eckhard Raupach als Mitglied des Magistrats. Pastor von Ketehold gab dem Festakt kirchliche Weihe.
Von der alten Pracht geblieben sind heute nur noch der Waldwiesenteich mit der weißen Villa und der Sportplatz des VFB Kiel. Zu besten Zeiten kamen hier 15.000 Zuschauer, auch zu Feldhandballspielen des THW Kiel. Davon ist der VFB heute weit entfernt.
Deutlich mehr Schaulustige kamen 1931 zum Besuch des Reichskanzlers Hindenburg. Er war der wohl prominenteste Gast in der Waldwiese, gefolgt von Max Schmeling und Heinz Erhard.
Mehr dazu lesen Sie in Geschichtsjournal Nr. 5. Es ist ab 6. Oktober 2017 für vier Euro käuflich zu erwerben – in Russee bei Zeitschriften Zimmermann (Rendsburger Landstraße 359) und in Hassee im Verlagsbüro von KIEL LOKAL (Alte Eichen 1). Geöffnet ist werktags von 8-17 Uhr.
(Text: Frahm; Foto: ©Hasseer Umland)