Konzertveranstalter sind in diesem Corona-Jahr arg gebeutelt.Davon kann Malte Jochimsen ein Liedchen singen. Er organisiert seit elf Jahren die Veranstaltungsreihe „Kultur auf den Halligen“. 2020 ist sein Plan gehörig durcheinander gewirbelt worden. Nun jedoch zeichnet sich ein Lichtstreif am Horizont ab.
Sofern es keine weiteren Einschränkungen gibt, kann er in den nächsten Wochen endlich richtig loslegen.
Die KIEL-LOKAL-Redaktion hatte sich selbst auf den Weg gemacht, um eines dieser Konzerte zu besuchen. Dazu ging es erst mit dem Auto zum Fähranleger Schlüttsiel und dann weiter mit der MS Seeadler durchs Wattenmeer. Das Ziel dieser Fahrt: die Hallig Langeness.
Fixe Idee gleich umgesetzt
An Bord treffen wir den Veranstalter dieser außergewöhnlichen Konzertreihe. Wie kam er überhaupt auf die Idee? „Es war ein Tag wie heute“, erinnert sich Malte Jochimsen. „Tolles Wetter, warme Temperaturen. Ich saß am Meer, eine Pulle in der Hand und ließ die Gedanken frei wandern. Da hatte ich den Geistesblitz.“
Kontakte in die Musikbranche hatte er als Rio Reiser Haus-Crewmitglied genug, dazu eine gehörige Portion Nordsee-Liebe und Organisationstalent. Ein Konzertabend auf der Hallig sollte es werden, zuvor eine Schifffahrt durchs Wattenmeer, leckeres Essen und nach dem Konzert wieder zurück. „Ich hatte die Flasche noch nicht ausgetrunken, als ich schon mit dem Handy nach Partnern gesucht habe.“ Ein passendes Schiff war schnell gefunden. Auf Hallig Langeness war Gastronom Gerhard Karau bald für die Idee begeistert.
Ganz nah an den Musikern
Bis heute arbeitet das Restaurant als Hallig-Team mit dem Festland-Team um Jochimsen eng zusammen. „In über 120 Konzerten haben wir an unserem Grundkonzept nichts geändert“, erklärt Malte. „Ein exklusiver Abend nah an den Künstlern, eine schöne Fahrt durch die Nordsee und leckeres Essen.“ Die Künstler reisen meist gemeinsam mit den Fans auf dem gecharterten Passagierschiff an. Eine besondere Erfahrung, auch für die Bands. „Es ist ein Abenteuer, auf das sich auch die Künstler gemeinsam mit den Fans einlassen“, erzählt Malte mit sichtbarer Begeisterung. „Von dieser Symbiose lebt der Abend. Wir sind nur die Vermittler.“
Was dabei herauskommt, ist so unvorhersehbar wie das norddeutsche Wetter. „Einmal saßen wir auf der Rückfahrt drei Stunden auf dem Schiff fest, weil uns das Wasser weggelaufen war. Die Band und Fans nahmen es gutgelaunt. Nur das Bier ging uns beim Feiern aus…“, so Malte schmunzelnd.
Torfrocker zum Anfassen
Unversehens ist der westliche Zipfel von Langeness erreicht und das Feiervölkchen pilgert zur nächsten Warft, dem Haus Hilligenley. Erste Ankömmlinge genießen die Sonne auf der Terrasse des Restaurants. Buffettische verteilen sich unter weißen Pagoden, im Inneren des Gasthauses und neben duftenden Grills.
Wir treffen einen Hünen mit Strohhut, langen weißen Haaren und Bart. Raymond Voss, der Gitarrist von Torfrock, weilt mitten unter den Gästen. Er kommt Jahr für Jahr wieder nach Langeness und findet die Konzertreihe einzigartig. „Vor allem das Herfahren auf den kleinen Passagierschiff mit all den Fans, das hat schon ‚ne gewisse Komik. Das gibt`s nirgendwo. Sonst kommen wir Musiker von hinten rein und die Leute von vorne.“
Kamerascheu darf er bei der heutigen Handydichte unter den Fans nicht sein. „Ich habe mich auf der Herfahrt aufs Oberdeck gesetzt, mittenrein zwischen die Leute. So viele Selfies hintereinander habe ich noch nie gemacht“, lacht Raymond mit rauchiger Stimme.
Zum Sonnenuntergang versammelt sich alles im Schafstall. Familien stehen neben eingefleischten Torfrock-Fans mit passenden Shirts. Die Stimmung ist locker und die Bühne dicht unter dem Gebälk der niedrigen Stalldecke. Bunte Scheinwerfer leuchten auf. Dann kommt Torfrock unter tosendem Applaus auf die Bühne. Plattdeutsche Texte und laute Gitarren erklingen. Der Schafstall rockt, und das stundenlang.
Drei Zugaben gewährt die Band den Tagesgästen, bevor es heißt: Alle zurück zum Schiff. Das wartet mit festlicher Beleuchtung und Kaffee. Es folgt die Rückfahrt durch eine nun ganz dunkle Nordsee.
Begleitbuch und Neuigkeiten
Im Frühjahr 2020 ist übrigens unter dem Titel „Mok Man“ ein Buch über die ersten zehn Jahre „Kultur auf den Halligen“ erschienen. Aktuelle Informationen über die Konzertreihe gibts auf der Webseite www.kulturaufdenhalligen.com.
Foto: ©Frahm