Zu einer Informationsveranstaltung lud das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ am 1. September auf die Weinbergkoppel – den am stärksten von der geplanten Autobahn betroffenen Bereich zwischen B 404, Theodor-Heuss-Ring und Eiderwanderweg.
Rund 50 Teilnehmer fanden sich an diesem Abend im Karlsburger Kleingartengebiet ein, um sich über das Thema „Südspange“ zu informieren. Eingeladen hatten Luise Amtsberg, Kieler Spitzenkandidatin der Grünen, Stefan Gelbhaar, Verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, sowie Niklas Hielscher, Verkehrsexperte aus Kiel mit profunder Sachkenntnis der Verkehrsplanung rund um die Südspange.
Treff im gefährdeten Idyll
Der Treffpunkt war nicht zufällig gewählt und der Kontrast könnte nicht drastischer ausfallen. Genau hier, wo heute Ruhe und Idylle zu Hause sind, würde ein riesiges Autobahnkreuz entstehen, wenn die Planungen Realität würden. Luise Amtsberg bezeichnete das Vorhaben, eine Autobahn zwischen B404 und Theodor-Heuss-Ring zu bauen, als „monströses Verkehrsprojekt“. Stefan Gelbhaar wies darauf hin, dass der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) über 1.000 Verkehrsprojekte enthält, obwohl kaum ein anderes Land in Europa ein derart dichtes Straßennetz besitzt wie Deutschland. Alle Projekte seien umstritten und führten zu Bürgerprotesten. Die Südspange sei also kein Einzelphänomen. In ganz Deutschland toben ähnliche Auseinandersetzungen.
Die noch aus alten auto-euphorischen Zeiten stammende und nun projektierte Südspange wirkt angesichts der Klimakrise und der immer weiter fortschreitenden Landschaftszerstörung aus der Zeit gefallen. Ein Relikt aus einer Zeit, als zu jeder gebauten Straße alsbald eine weitere Straße hinzugeplant wurde, als Lückenschluss, Entlastungsstraße oder wie hier eine kleine Abkürzung. Doch, hier zitiert er einen früheren Münchener Oberbürgermeister: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ So aber können weder Verkehrswende noch Klimawende erreicht werden.
Autobahnkreuz mitten im Kleingartengebiet
Niklas Hielscher ist Mitglied des überparteilichen Bündnisses „Vorfahrt für den Klimagürtel“, in dem 20 Initiativen und Organisationen zur Verhinderung der Südspange zusammengeschlossen sind. Das Bündnis hat Politiker aller Parteien zu einem Spaziergang eingeladen. Zugesagt haben nur die Grünen und die Linkspartei.
Hielscher weist auf die wachsende Bedeutung der Kleingärten hin. Noch gibt es Leerstand, aber das ändert sich rapide, nicht nur wegen Corona. Doch die Weinbergkoppel würde unter einem riesigen Autobahnkreuz verschwinden. Auch die geplante Südspange würde große naturnahe Erholungsflächen für immer unter Beton begraben.
Das ist aber noch nicht alles: Da jede Autobahn eine Nebenstraße für den langsameren Verkehr benötigt, frisst auch letztere zusätzliche Fläche. Diese zweispurige Nebenstrecke ist ausgerechnet auf dem heutigen Eiderwanderweg geplant und betrifft ein besonders sensibles Gebiet.
Diese Zerstörung von Grünflächen würde bereits eintreten, wenn die Autobahn 21 von Segeberg bis zum Barkauer Kreuz weitergeführt würde – also auch ohne Südspange. Folglich lehnt das Bündnis nicht nur die Südspange ab, sondern auch die Fortführung der A21 über die Eisenbahnbrücke hinaus.
Sackgasse Südspange
Die Südspange würde auch am anderen Ende ein riesiges Kreuzungsbauwerk zur Anbindung an die B76 benötigen. Auch dort sind zahllose Kleingärten bedroht.
Nach jetzigem Planungsstand und bei aktuellem Realisierungstempo könnte frühestens ab 2050 der Ostring 2 (auch Ostufer-Entlastungsstraße) folgen. An eine tatsächliche Realisierung glaubt allerdings an offizieller Stelle kaum jemand, denn der Ostring 2 wird im BVWP nur als „sonstiger Bedarf“ geführt. Gerade dieser Ostring 2 wird als wichtiges Argument für die Südspange ins Feld geführt. Ohne Ostring 2 wäre der Südspange ein entscheidendes Argument entzogen.
Ein weiteres Argument zerpflückt Hielscher gleich mit. Eine Entlastung des Theodor-Heuss-Rings findet gar nicht dort statt, wo sie dringend erwünscht wäre. Das wäre nämlich an dem Abschnitt mit den umstrittenen Abgasfilteranlagen. Im Gegenteil. Die Prognosen sagen dort und u. a. in der Alten Lübecker Chaussee noch eine Verstärkung des Autoverkehrs als Ergebnis der Südspange voraus.
Gemeinsamer Spaziergang auf heimeligen Wegen
Anschließend führte Hielscher die Interessierten auf einem verwinkelten Dornröschenweg durch die Bielenbergkoppel. Auf halber Strecke bleibt er stehen: Fast völlige Stille auf dem Eiderwanderweg – Vögel zwitschern. Dieser Wanderweg wurde erst vor 15 Jahren als besonders wichtiger Beitrag zum Kieler Grüngürtel von der Stadt Kiel angelegt. Soll es das schon wieder gewesen sein?
Dann der Einspieler auf den mitgebrachten Lautsprecherboxen: lautes Gedröhn einer Autobahn, die genau hier auf einer 30 Meter breiten Brücke die Schienen und den Wanderweg überqueren würde. Solcher Lärm ist den Teilnehmenden natürlich nicht fremd, wirkt an dieser Stelle aber höchst verstörend. Es gebe zahlreiche Argumente, um diesen Bereich zu erhalten, erläuterte Hielscher: Der Wanderweg und die Gleise bilden eine wichtige Frischluftschneise zur Innenstadt. Hier treffen zentrale Biotopverbundachsen zusammen: Kronsburger Gehölz – Vieburger Gehölz und Eidertal – Kieler Förde. Der ökologische Wert dieses Gebietes ist immens und wäre für immer verloren.
Großer Landschaftsverbrauch
Die mitgebrachten Karten und Grafiken machten deutlich, durch die umstrittene Baumaßnahme würde ein wichtiger Teil des Grüngürtels im Kieler Süden unwiederbringlich zerstört. Es würden u. a. 90.000 m² Wald am Vieburger Gehölz verschwinden und über 200.000 m² Kleingärten, dazu mehrere Wohnhäuser. Der Rest der Fläche würde dauerhaft verlärmt. Naherholungsgebiete gingen verloren.
Nicht zuletzt wies Hielscher darauf hin, dass die Autobahn-Bauwerke ein massives Hindernis für den Rad- und Fußverkehr bedeuten und lange und komplizierte Umwege für diejenigen nach sich ziehen würden, die sich bereits am umweltverträglichsten fortbewegen.
Bündnis sucht Mitstreiter
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ engagiert sich weiter ehrenamtlich gegen die Realisierung der „Südspange“. Gleichzeitig ruft es zum Mitmachen auf. Die Aktiven treffen sich jeden dritten Dienstag im Monat an wechselnden Orten. Neue Aktive sind willkommen.
Kontakt und weiterführende Informationen gibt es auf der Webseite www.bielenbergkoppel.de.
Text: Mollenhauer; Foto: ©Mollenhauer