Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Hassee, Oliver Vongehr, und sein Stellvertreter Christian Jopen haben nicht das Gefühl, mit ihrer Politik immer alle zu vertreten. Aus diesem Grundgedanken resultiert ein rotes Fahrrad, welches quartierweise durch Hassee wandert: das sogenannte KümmerBike.
Die Lokalpolitiker Vongehr und Jopen möchten die Menschen aus dem Stadtteil mehr wahrnehmen, ihre Sorgen und Ängste anhören und daraus eine „Politik für viele“ gestalten. So kam ihnen der Einfall eines Briefkastens, der für die Hasseer Bürgerinnen und Bürger jederzeit bereitstehen und „nicht so einen verbindlichen Überfallcharakter“ haben soll, wie Vongehr schmunzelnd anmerkt.
Doch das reicht ihnen nicht. Sie wollen zwar in den Austausch mit den Menschen kommen, doch es muss mobiler sein als ein einfacher Briefkasten. Kurzerhand wurde das alte Fahrrad von Vongehr herausgeholt, komplett rot angesprüht und mit einem Briefkasten versehen. So haben sie eine mobile Lösung gefunden, die keine Genehmigungen braucht. Denn jedes Fahrrad darf öffentlich abgestellt werden.
Im Briefkasten befinden sich mit Stiften ausgestattete Postkarten, die von den Einwohnern des Viertels mit ihren Anregungen, Kritiken, Wünschen und Ideen beschrieben werden können. So schaffen sie eine hohe Sichtbarkeit und eine direkte und unkomplizierte Art der Rückmeldung.
Das Konzept wird gut angenommen. Schon beim zweiten Standort war der Briefkasten voll. Etwa alle zwei Wochen ändert das Fahrrad nun seinen Stellplatz. Der Briefkasten wird ein- bis zweimal pro Woche geleert. Dabei fallen drei bis vier konkrete Wünsche pro Leerung an.
Welche Wünsche werden bisher genannt?
90% der Einwürfe sind kommunale Anliegen oder betreffen direkt den Stadtteil. Dabei werden Aspekte wie die Sauberkeit im Stadtteil, Wohnen, Mobilitätsaspekte aber auch konkrete Wünsche wie ein ‚Trimm-Dich-Pfad‘ oder neue Sportgeräte geäußert. Aber auch überregionale Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, die gleiche Bezahlung der Geschlechter, Hunger in der Welt oder Tierschutz werden auf den Postkarten notiert. Auf jede einzelne Postkarte gibt es eine direkte Antwort. Wenn eine Anregung anonym eintrifft, wird die Antwort für alle einsehbar auf Social Media veröffentlicht.
Umsetzung der Themen
Vongehr und Jopen sind bemüht, die Dinge umzusetzen. Sie bringen die Themen in den Ortsbeirat ein und treten mit den nötigen Ämtern in Kontakt. Sofern die Antwort „Nein, das geht nicht“ lautet, versuchen die beiden zu erörtern, welche Bedürfnisse hinter der Anregung stehen und wie diese auf anderem Weg erfüllt werden könnten. Wenn Probleme nicht auf kommunaler Ebene geklärt werden können, werden die Anliegen der Hasseer Bürgerinnen und Bürger an die zuständige Stelle weitergeleitet.
Dankeschön für die Anregungen
Die beiden Politiker äußern Dank an alle Personen, die sich eingebracht und eine Karte eingeworfen haben. Auch Kinder haben bereits geschrieben und sich so in die Politik eingebracht, was die beiden besonders freut. Jopen betont: „Ihre Stimme ist nicht umsonst. Sie sollen gehört und wahrgenommen werden.“ Die Scheu vor der Politik hält er für unberechtigt, und so fügt er an: „Jeder ist politisch und hat eine Meinung.“ Auch Vongehr zieht stolz das Resumé: „Diese Aktion ist ein echter Erfolg“.
Aktion ist ein echter Erfolg
Die Arbeitsteilung hat sich bewährt: Vongehr kümmert sich um das Fahrrad, während Jopen sich den Briefen, Inhalten und Antworten widmet. „Trotz des immensen Zeitaufwandes fällt die Arbeit leicht, da es so erfüllt“, sagt Jopen, während sein Kollege das Fahrrad an der Ecke der Von-der-Goltz-Allee abstellt. Von dort aus soll es eine weitere Reise über das Grüne Herz, das Eisenbahnerviertel bis später wieder nach Hassee machen, sodass quartierweise jeder bequem seine Karte in den Briefkasten stecken kann. Auch die Diakonie Altholstein in der Hamburger Chaussee, wo das Fahrrad vorher seinen Stellplatz bezog, äußerte sich begeistert über das Konzept und den Standort.
Per E-Mail mitmachen
Ihr Ziel ist es, das Konzept nun auch digital umzusetzen. So können jetzt schon unter der Mail kuemmerbike@spd-kiel.de Anregungen für den Stadtteil Hassee eingesendet werden. Es wird angestrebt, auf der Website eine Übersicht an Antworten der Politik einsehbar zu machen.
Die beiden Politiker äußern die Hoffnung, dass in Zukunft die Wahlbeteiligung durch das nun steigende Gefühl an Mitbestimmung und Einflussnahme höher wird. Doch das wird sich erst bei der kommenden Kommunalwahl nächstes Jahr im Mai zeigen.
Vongehr merkt lachend an: „Vielleicht sehen wir hier bald überall schwarze und grüne Bikes“, woraufhin sein Kollege Jopen anfügt: „Das wäre ja gut!“. Tatsächlich gibt es nun bereits in drei weiteren SPD-Ortsvereinen vergleichbare Fahrräder, die demnächst die Bürgerinnen und Bürger erreichen sollen.
Jopen verdeutlicht: „Unser Ziel einer ‚Politik für viele‘ bedeutet eben auch, unabhängig von eigener Meinung oder innerparteilicher Ausrichtung Meinungen zu akzeptieren. Wenn sich viele etwas wünschen, ist es unsere Aufgabe, das umzusetzen.“ BL