Wer möchte Vorschulkindern samstags in der Bücherei etwas vorlesen?
Ein Samstagmorgen in der Gemeindebücherei Kronshagen: Gebannt lauschen die Drei- bis Sechsjährigen Ingrid Howe, die mit ausdrucksstarker Stimme und Gestik beim Vorlesen in die Rolle der Bilderbuchcharaktere schlüpft und sie zum Leben erweckt.
Die Kinder sind mit Feuereifer bei der Sache. Keines will verpassen, wie es weitergeht. Alle schauen sich intensiv die Bilder an. Man merkt, wie sowohl die Vorleserin mit Spaß und Begeisterung bei der Sache ist als auch die Kinder die Stunde genießen.
Nach einer Dreiviertelstunde und meist drei vorgelesenen Büchern können die Kinder die Stunde noch beim Malen mit vorbereiteten Kopien zu den Büchern ausklingen lassen. Die Eltern stöbern derweil – quasi in Rufweite – in den Angeboten der Bücherei. Oder sie bleiben dabei, falls ein Kind sich noch nicht trennen mag.
Wie praktisch, dass die vorgelesenen Bücher in der Bücherei nach der Vorlesestunde auch gleich ausgeliehen werden können. Kinder im Vorschulalter lieben Wiederholungen und wollen oft immer die gleichen Bücher noch einmal vorgelesen bekommen.
Zwischenfragen erwünscht
Grundsätzlich werden in der Gemeindebücherei keine Problembücher vorgelesen, aber auch die Themen Freundschaft, Verlust eines Spielzeugs, die Darstellung einer Spinne oder auch eine lustige Episode in einem Buch können bei Vorschulkindern starke Emotionen auslösen. Darüber zu sprechen ist ein Ventil der Verarbeitung. So ist es normal und erwünscht, dass die Kinder das Vorlesen mit Fragen unterbrechen und bei besonders berührenden Stellen ihre eigenen Erlebnisse dazu erzählen. Das hilft ihnen beim Verstehen und beim emotionalen Verarbeiten der Themen.
Positive Effekte des Vorlesens
Ganz nebenbei erlernen besonders Vorschulkinder auch neue Wörter und Bedeutungen und begreifen über die Wiederholung Sprach- und Satzstrukturen: Kinder, denen viel vorgelesen wird, haben meist einen größeren Sprachschatz bei der Einschulung als Kinder ohne häufigen Zugang zu Büchern.
Die Kinder durchleben die Gefühle der Geschichten und entwickeln Empathie. Und das Vorlesen führt neben der Sprachvermittlung, dem Heranführen an Unbekanntes, der Förderung von Fantasie und Kreativität zu einem schönen emotionalen Erlebnis. Die Liebe zum Buch entsteht.
Lesen lernen durch Vorlesen
Die Liebe zum Buch ist wichtig, denn Lesen ist eine Schlüsselkompetenz, um in der Schule und im späteren Leben verstehen zu können. Vor dem Lesen steht das Vorlesen. Kinder, denen viel vorgelesen wird, sind motivierter, selbst Lesen zu lernen. Sie haben ein automatisches Verständnis für Schrift und Buchstaben und nicht selten bringen sie sich schon vor der Schule das Lesen selbst bei oder lernen in der Schule sehr schnell lesen. Durch den größeren Wortschatz der Kinder durch das Vorlesen gibt es kaum Wörter, die sie nicht kennen, und durch das Selberlesen erweitert sich der Wort- und Wissensschatz später immer mehr.
Vorlesestunde seit 2019
Büchereileiter Thomas Lau hatte 2019 die Idee zur Vorlesestunde. Gleich von Anfang an holte er Ingrid Howe mit ins Boot und liest seitdem auch selbst regelmäßig vor. Später stieß Sylvia Bareiss zum Team, das sich gerne noch vergrößern würde.
Vorleserin Ingrid Howe
Ingrid Howe hat Deutsch und Englisch studiert und arbeitet seit über zehn Jahren an der Grundschule Kronshagen in der Leseförderung. Als Lesepatin kümmert sie sich jeweils einzeln um die Lesekompetenz von Kindern, denen das Lesenlernen oder das Verständnis des Gelesenen schwerfällt. Durch die Eins-zu-eins-Betreuung kann sie auf die ganz individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes eingehen. Mittlerweile unterstützt sie auch Kinder aus DAZ (Deutsch als Zweitsprache)-Klassen beim Lesenlernen und dem Erlernen der deutschen Sprache.
Ingrid Howe liest selbst sehr gerne und hat mit ihren drei eigenen, mittlerweile erwachsenen Kindern und zwei Enkelkindern viel Erfahrung beim Vorlesen gesammelt. Die Liebe zum Buch weiterzugeben ist für sie Herzenssache.
Vorleserin Sylvia Bareiss
Sylvia Bareiss ist Grund- und Hauptschullehrerin und unterstützt seit 20 Jahren die Lehrkräfte im DAZ-Zentrum in der ehemaligen Brüder-Grimm-Schule und der jetzigen Grundschule an den Eichen.
Beim Vorlesen hilft ihr aber in erster Linie ihre Erfahrung als dreifache Mutter und fünffache Großmutter. Auch Sylvia Bareiss liest selbst sehr gerne und freut sich immer auf ihre Vorlesestunde: „Die Kinder tauchen intensiv in die Geschichten ein und zusammen haben wir viel Spaß.“
Weitere Vorleser und Vorleserinnen gesucht
Für neue Vorleser und Vorleserinnen ist keine berufliche Vorbildung notwendig. In erster Linie sollte der- oder diejenige Spaß am Vorlesen und mindestens einmal im Monat am Samstag Zeit haben. Wer diese Voraussetzungen mitbringt, kann sich gerne bei Thomas Lau melden: thomas.lau@kronshagen.de, Telefon 0431 / 24850192
Text und Fotos: Silke Umlauff