Ein Ort der Begegnung

Birthe Kleiter ist überzeugt von der Idee, Überschüssiges anders zu verteilen und zuzuführen. Fotos: Anna Maria Bader

Verschenkeschrank in der Gärtnerstraße fördert das Miteinander

Geben und nehmen, tauschen und wiederverwenden – Verschenkeschränke sind beliebte Orte der Begegnung. KIEL LOKAL stellt Ihnen in dieser Reihe den fünften Schrank im Kieler Süden vor.
Diesmal geht es um ein rotes Modell aus Metall, das in der Gärtnerstraße 20 steht. Leicht verwunschen, von grünen Sträuchern umgeben, thront es im Vorgarten direkt über dem Gartenzaun. Wunderbar zugänglich für alle, die auf dem Gehweg daran vorbeischlendern.
„Viele Familien kommen mit ihren Kindern täglich vorbei“, bestätigt Birthe Kleiter, die vor rund zweieinhalb Jahren das wetterfeste Möbelstück auf ihrem Grundstück aufgestellt hat. „Ganz viele kommen jeden Tag.“ Zum Gucken, zum Tauschen, zum Staunen.
Manchmal staunt Kleiter selbst, denn auch wenn ihr der Schrank gehört, so pflegt sie ihn nicht ganz allein. Oft sind es nämlich andere, die kommen und nicht nur nehmen. „Dann kümmern sie sich auch und räumen mit auf.“
Was drinnen, drauf und hin und wieder davor liegt? „Viel Kleidung, Schuhe, Kinderspiele“, zählt Kleiter auf. Ohnehin ganz vieles für Kinder. Vom Töpfchen bis zum Babysafe sozusagen, doch auch Sonnenbrillen, Schmuck, Elektronik, Kerzen, Perlen und natürlich jede Menge Bücher wechseln in der Gärtnerstraße ihren Besitzer oder ihre Besitzerin. Ob Klassiker oder Groschenroman, die Genres sind ebenso bunt und wechselnd wie das Angebot. Selbst Lebensmittel lägen schon mal auf den roten Regalböden. Da schaut Birthe Kleiter natürlich genau hin. „Manchmal nehme ich etwas raus“, berichtet sie, doch das sei eher selten, denn insgesamt mache sie fast nur positive Erfahrungen.
Drei „Lausbuben“, wie Kleiter sie nennt, hatten sich eine Zeit lang Streiche erlaubt. Als es unschön wurde und der Inhalt des Schrankes litt, suchte sie den Kontakt und sprach mit ihnen. Seitdem gehe es wieder gut.

Ein Schild oder eine Beschriftung werden nicht benötigt. Dank der variierenden Deko obendrauf ist sofort zu erkennen: Hier gibt es Spannendes zu entdecken.

Hin und wieder drapiere sie die Sachen im Verschenkeschrank um, um das Angebot immer attraktiv zu halten und neue Blickwinkel zu schaffen. Dabei spräche der Inhalt eigentlich für sich. „Es geht so gut wie alles weg“, so Kleiter. Manche Menschen zeigten sich überrascht, dass sie sich aus dem Schrank wirklich etwas mitnehmen dürfen. „Weil die Sachen so schön sind“, schmunzelt die Hasseerin. Als Beispiel nennt sie das schöne Geschirr, von dem ein Mann, der peu à peu eine Wohnung ausräumt, immer mal Nachschub vorbeibringt. Eine andere Dame verkleinere ihren Hausstand und spende auch immer wieder neue Schätze. Auch die Nachbarn beteiligten sich gern.
Woher Birthe Kleiter das weiß? Weil der Schrank längst zu einem Ort der Begegnung geworden ist. „Es fördert das Miteinander, das Kommunikative“, schildert sie zufrieden. Früher sei es in der Gärtnerstraße stiller zugegangen. Jetzt tausche sich die Nachbarschaft häufiger aus. „Alle lächeln“, freut sich Kleiter über den entstandenen Austausch. „Es ist so ein Highlight für ganz viele.“
Auch der Gedanke des Tauschhandels erfülle sie sehr: „Ich finde es schwierig, wenn man im Überfluss lebt und Dinge, die man nicht mehr braucht, wegschmeißt.“ Der Schrank ermöglicht einen Kreislauf. „Ich kann mir etwas nehmen, und wenn ich es nicht mehr möchte, gebe ich es der Gesellschaft zurück.“

Wie viele kommen, nehmen und geben, weiß Kleiter übrigens recht genau, da sie mal gezählt und die Zahlen dann hochgerechnet hat. Vierzig bis fünfzig Menschen seien es pro Tag. Eine ganze Menge, die nicht nur einen Blick in den roten Schrein werfen, sondern immer wieder auch eine große Dankbarkeit zeigen. Meist sind es Worte, ab und zu auch kleine Geschenke, die Kleiter bekommt – wie die Kerze, die sie sichtbar im Fenster aufstellte und täglich brennen ließ.
Die schönste Rückmeldung war übrigens eine Entdeckung, die die engagierte Hasseerin eines Tages ganz unverhofft im Kindergarten ihres Enkelkindes machte: „Ich hatte mal einen Pantoffel“, erzählt sie. Den Schuh, der lange Jahre als Aufbewahrungstasche an der Wand gedient hatte, erst für Hausschuhe, später für Flöten, hatte ihr Sohn einst als Kind gefilzt. Kleiter legte ihn in den Schrank. Irgendwann war er fort. Bis sie ihn plötzlich wiedersah: beim Abholen ihres Enkelkindes aus dem Kindergarten, wo er in alter Funktion seine treuen Dienste neu entfaltet – als Aufbewahrungstasche an der Wand. AB