Es ist ein idyllisches Fleckchen Erde, dass Erna Lange und Niklas Hielscher vom Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ den KIEL LOKAL-Redakteuren präsentierten. Entlang des Eidertal-Wanderweges hören wir beruhigendes Vogelgezwitscher und fühlen uns inmitten des vielen Grün weit ab vom üblichen Verkehrslärm der Kieler Innenstadt.
Viele Kieler*innen nutzen den Wanderweg deshalb als Natur- und Erholungsraum. Doch dieser Naturraum, der auch vielfältigen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bietet, könnte durch den Bau der geplanten vierspurigen Brücke als Anschluss an die A 21 bald zerstört werden. Die Südspange würde damit mitten durch den Grüngürtel bis zur B 76 führen. Daneben wären durch ein geplantes Autobahnkreuz auch das Vieburger Gehölz, das Kronsburger Gehege und über 300 Kleingärten in Gaarden Süd (Bielenbergkoppel) betroffen. Biotope würden massiv gestört werden und eine Frischluftachse im Eidertal-Wanderweg, die an heißen Tagen die Kieler Förde mit kühler Frischluft versorgt und Schadstoffe aus der Luft filtert, der Infrastruktur zum Opfer fallen.
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ macht sich dagegen stark. „Wir sind ein Bündnis aus insgesamt 19 Umweltverbänden und Initiativen aus Kiel“, erklärte Erna Lange. „Wir fordern nicht nur den Stopp der Südspange, sondern auch aller geplanten Nebenstrecken und Autobahnkreuze.“
Zu den Nebenstrecken, die nach den aktuellen Planungen als Ausweichstraße dienen soll, gehört die Flintbeker Straße. Derzeit eine kleine Straße in einem ruhigen Wohngebiet. „Diese müsste auf eine Mindestbreite von 6,50 Meter ausgebaut werden, um auch Busbegegnungen zu ermöglichen“, informierte Hielscher. Denn an der B 404 ist es zu eng, um dort eine Nebenstrecke für Fahrzeuge unter 60 km/h zu ermöglichen und den Radverkehr entlangzuleiten.
„Hinter dem Bau der Südspange, der ‚immer nur als schmaler Strich‘ abgebildet würde, steckt eben noch viel mehr“, betont Niklas Hielscher. Bereits 2016 gab es eine Variantenprüfung, bei der begutachtet wurde, wie die A 21 an Kiel angebunden werden könnte. Dabei rückte das Vorhaben als vordringlicher Bedarf im Bundesverkehrswegeplan 2030 nach vorn. „Das, was der Bund jetzt plant, ist der Planfall 1“, so Hielscher.
Die A 21 würde in diesem Fall bis zur Höhe des Barkauer Kreuzes verlaufen, was wiederum eine Nebenstrecke für den innerörtlichen Verkehr unter 60 km/h notwendig macht. „Diese Nebenstrecke würde über die Flintbeker Straße und durch das anschließende Kleingartengebiet gehen und auf dem Hörn-Eidertal-Wanderweg weitergeführt. Dies alles wäre bereits notwendig, wenn ‚nur‘ die geplante A 21 in Form einer Brücke über die Bahngleise verläuft“, informiert der engagierte Kleingartenbesitzer.
Da verwundert es nicht, dass man entlang der Flintbeker Straße und des angrenzenden Wohngebietes zahlreiche Transparente sieht, die in fettgedruckten Buchstaben den Stopp der Südspange fordern.
„Die geplanten Maßnahmen führen nicht nur zu mehr Verkehr, sondern auch zu mehr Lärm für die Bevölkerung“, so Hielscher. Zwar befinden wir uns derzeit in der Phase der Vorplanung und der Bau als solches liegt mit dem geplanten Beginn im Jahre 2029 in weiter Ferne. Allerdings entgegnet Hielscher: „Bereits einige Jahre vorher müssen die geplanten Flächen vom Bund aufgekauft werden. Je mehr Geld in das Projekt investiert wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass man von der Planung absieht.
Der Klimawandel macht jedoch keine Pause. Deshalb müssen wir sämtliche Kräfte zur Bewältigung des Klimawandels einsetzen“, sagt er. Was bedeutet das in Zahlen? Insgesamt müssten für den Bau dieser Brücke 90.000 m² Waldfläche weichen. 205.000 m² an Kleingärten wären betroffen und würden zukünftig nicht mehr als Erholungsraum zur Verfügung stehen. Insgesamt würde damit eine Fläche von 30 Hektar dem Bau der Südspange zum Opfer fallen. Das entspricht in etwa 42 Fußballfeldern.
„Viele sozial schwache Familien können sich keinen Urlaub leisten. Für Sie ist der Kleingarten gleichzeitig auch Urlaubsort. Außerdem dient der Garten vielen Kieler*innen als Naherholungsraum“, betont Erna Lange.
Gerade in einer Stadt wie Kiel, in der es vielerorts Wartelisten für Kleingärten gibt, erscheint die Bereitschaft, einen Naturraum mit mehr als 300 Schrebergärten zu zerstören, unverständlich. Dies umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass es sich bei dem „Planfall 1“ aus Umweltsicht um die schlechteste Lösung handelt. „Hier wurden die Verkehrsbelange höher bewertet als die Belange der Natur“, erklärt Hielscher.
„Wir fordern, dass die Stadt Kiel sich klar gegen den Bau der Südspange und auch aller damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen ausspricht“, betonen beide Unterstützer des Bündnisses.
Erst im Januar 2021 hat die Ratsversammlung einen neuen Antrag zum Climate Emergency beschlossen, der ein Positionspapier in Bezug auf die Handlungsmöglichkeiten der Stadt Kiel und Klimaneutralität bis spätestens 2035 einfordert.
„Der Bau der Südspange und die damit zusammenhängenden Mammutprojekte passen in keiner Weise zum Konzept der Stadt Kiel, klimaneutral zu werden und den Individualverkehr bis zum Jahr 2035 gegenüber dem Jahr 2015 um bis zu 40 Prozent zu senken“, gibt Lange zu Bedenken. „Kiel als erklärte Klimaschutzstadt muss sich klar positionieren. Wir müssen umdenken und das vorhandene Geld sinnvoll einsetzen“, fordert Lange energisch.
Diese Forderung deckt sich mit der Begründung des Beschlusses der Ratsversammlung aus dem Januar dieses Jahres, in der es unter anderem heißt: „Die Landeshauptstadt Kiel kann eine Vorbildfunktion einnehmen und so einen sichtbaren Beitrag zu einer klimaneutralen Welt leisten.“
Und so muss sich am Ende ein jeder von uns fragen, ob noch mehr Straßen tatsächlich zu weniger Verkehr führen können und ob wir uns einen solch massiven Eingriff in die Natur heutzutage wirklich noch erlauben können.
„Zwar hat die Stadt bereits viele gute Maßnahmen beschlossen“, zieht Erna Lange ein Fazit. „Wir müssen jedoch das Tempo deutlich anziehen, wenn es um den Klimaschutz geht.“
Text: Bach; Foto: ©Frahm