Gemeinsam in den Frühling wandern

Wanderung Frühlingserwachen

10 Kilometer kurze Wanderung mit Abschweifungen in die jüngere Geschichte unserer Stadtteile

Spätestens wenn der Frühling naht, hält uns nichts mehr hinterm Ofen. Die ersten Sonnenstrahlen und die sprießende Natur wärmen unser Gemüt. Zeit für ausgedehnte Spaziergänge.

Kiel Lokal entführt Sie im März auf eine zehn Kilometer lange Wanderung durch ein Gebiet, das sich wie kaum ein anderes in den letzten gut 50 Jahren gewandelt hat.

Start der Wanderung am Bahnhaltepunkt Russee
Beginn ist am Bahnhaltepunkt Kiel-Russee, der zwischenzeitlich über Jahrzehnte geschlossen war, nachdem kurz zuvor die große Buswendeschleife ebendort errichtet worden war. Die nahe Autobahn war auch erst Anfang der 70er-Jahre fertig. Bis dahin lag himmlische Ruhe über Russee. Heute bestimmt der allgegenwärtige Lärmteppich einen Teil unserer Wanderung.
Wo heute nördlich der Autobahn das Café liegt, befand sich ein Hartsteinwerk, dessen Kies- und Stein-LKWs viele Jahre an der Gorch-Fock-Schule vorbei durch die Melsdorfer Straße donnerten, bis eines Tages ein Schuljunge angefahren wurde und viel später der Schwerlastverkehr in den Russeer Weg verlegt wurde.
Heute sind es vor allem die Elterntaxen und die Pferdetransporte, die die schmale Straße unsicher machen. Da die Autos immer breiter werden, wird zunehmend der Fußweg mitbefahren.

Reste dörflicher Bebauung
Der kleine Wanderweg führt am Hartsteinwerksgelände vorbei in die Melsdorfer Straße. Auffällig sind mehrere Reetdachhäuser, die für diese Straße typisch waren. Es waren sogar ein paar mehr historische Katen, von denen drei durch Brandstiftungen in den 70er-Jahren, eine durch Umbau und eine durch Abriss verschwanden.
Die alte Eiche mit dem Gedenkstein am Waldrand hat sich inzwischen von dem Brandschaden erholt, den sie erlitten hatte, als das Eckhaus abbrannte. Hasselteich heißt die dortige Seitenstraße heute, weil ihr früherer Name Heisterbusch durch das Wohnlager derart in Verruf geraten war, dass eine Umbenennung die bösen Erinnerungen tilgen sollte.

Das Wohnlager Heisterbusch war in Verruf geraten
Diese sozialen Brennpunkte in Form von Wohnlagern gab es in Kiels Nachkriegszeit länger als in anderen Städten. Sogar einige der zuerst in Kiel lebenden Gastarbeiterfamilien aus der Türkei wurden dort untergebracht. Das Lager wurde erst 1975 aufgelöst. Da hatten die meisten Einwohner den Absprung vor allem nach Mettenhof bereits geschafft. Aber einige sozial besonders benachteiligte Familien mussten hier weiter ausharren.
Noch bis in die späten 90er-Jahre weigerten sich einzelne Taxifahrer, dort hineinzufahren. Es wird erzählt, dass sich eine Zeit lang selbst der Postbote nicht hinein traute und die Sendungen in einer Kiste bei der Eiche deponierte.

Kopfsteinpflaster und Waldesruh
Bei der Durchquerung des Waldes Hofholz stoßen wir auf eine alte Kopfsteinpflasterstraße. Der Julienluster Weg war – bevor es die Hofholzallee gab einst die Hauptverkehrsachse unter anderem zur Gaststätte Waldesruh, deren Altbau in Sichtweite liegt, und weiter zum Mettenhof bis 1965 trug eine Hofstelle im heutigen Alt-Mettenhof diesen Namen.
Heute zerteilt die Hofholzallee das Hofholz in zwei Wälder, die aber auch vorher schon nicht zusammenhängend waren. Auch den Skandinaviendamm gab es noch nicht, genauso wenig wie den Stadtteil Mettenhof.

Von der Feuchtwiese zum Vogelparadies
Dem Skandinaviendamm sieht man heute noch an, dass er im Taumel grenzenloser Automobilisierung völlig überdimensioniert geplant wurde. Die nie benötigte Vorhaltetrasse zum vierspurigen Ausbau kommt nun der zukünftigen Stadtbahn zugute.
Am Ortsrand von Kronshagen ist gegenüber der Gaststätte Forsthaus Wittland ein Reitweg entstanden, der uns durch Spalier stehendes Jungholz direkt ins Domänental führt. Wir treffen dort auf den alten, noch heute sehr naturnahen Heidenberger Wanderweg, der bis Suchsdorf führt und einzige Konstante im Wandel ist, der sich in den vergangenen Jahrzehnten um ihn herum zugetragen hat.
Selbst der Domänenteich ist neueren Datums und durch Aufstauen der Ottendorfer Au künstlich entstanden. Früher war hier nur eine Feuchtwiese. Heute ist der See mit der Vogelinsel Paradies und Brutkolonie für Reiher und Gänse, Enten und Kormorane, die sich hier in großer Zahl ein Stelldichein geben.
Wir genießen dieses Kleinod künstlich geschaffener Natur, denn um ein Haar wäre die Idylle des Domänentals unwiederbringlich zerstört worden. Mitten hindurch sollte die Umgehungsautobahn vom Autobahnkreuz Kiel-West bis zum Steenbeker Weg gebaut werden – übrigens auch mitten durch die heute schönsten Ruhezonen in Mettenhof. Gebaut wurde letztlich nur der Mettenhofzubringer.
Die ursprüngliche Einsamkeit des Heidenberger Wanderweges ist bei näherem Hinsehen verloren gegangen, obwohl der Pfad an vielen Stellen noch so aussieht wie vor einem halben Jahrhundert, denn seit den 70er-Jahren ist der Stadtteil Mettenhof bis ans Domänental herangewachsen. Hätte sich seinerzeit nicht die Wohnungslage entspannt, wäre auch der nördliche Teil Mettenhofs mit Hochhäusern für rund 18.000 weitere Menschen bebaut worden.

Nahezu autofrei durch ganz Mettenhof wandern
Es gibt mit dem Wikingerbummel einen wunderbaren Wanderweg zum Heidenberger Teich, wo eine attraktive Brücke einen wassernahen Spaziergang ermöglicht. Weiter geht es zwischen Wohnblöcken und freiem Feld um ganz Mettenhof herum. Es ist der Rundweg R1. Von der Stadt Kiel vor 30 Jahren beschildert, wird er jetzt – zumindest was die Wegmarkierung betrifft – sich selbst überlassen. Selbst am Wochenende sind hier nur wenige Spaziergänger unterwegs. Wo sind die 20.000 Mettenhofer?
Wir tauchen ins Russeer Gehölz ein. Immer rechts haltend finden wir einen sehr naturnahen Pfad, der aber nicht einfach zu gehen ist. Alternativ ist das Gehölz voller weiterer Fußwege. Der Wald entlässt uns am Russeer Weg nahe unserem Startpunkt.

Geführte Wanderung am 23. April
Vielleicht möchten Sie diese 10-Km-Wanderung einmal selbst in Gesellschaft mit anderen Wanderlustigen ausprobieren. Dann ist dazu Gelegenheit am Sonntag, dem 23. April. Um 12 Uhr geht es los am Bahnhaltepunkt Russee. Zusammen mit der Wandergruppe „Kieler Wanderatlas” führt der Autor durch die südwestlichen Kieler Stadtteile. Die Teilnahme ist kostenlos und auf eigenes Risiko. Dauer: etwa drei Stunden.
Weitere Touren finden Sie unter wanderatlas.projektnord.de. JM