Die Zahlen sprechen für sich: Nur noch 15 Prozent aller Verstorbenen werden auf den kirchlichen Friedhöfen in Kiel in einem Sarg beerdigt.
Das ist eine Tendenz, die wir schon seit Jahrzehnten beobachten. Die Mehrheit unserer Kunden entscheidet sich für eine Urnenbeisetzung“, sagt Karsten Spitz-Fischer. Er ist als Leiter der Abteilung Friedhöfe des Ev.-Luth. Kirchenkreises Altholstein für sieben Friedhöfe verantwortlich.
Der größte davon ist der Parkfriedhof Eichhof mit knapp 40 Hektar Fläche, und das hat durchaus seinen Grund: „Als man das Gelände im Jahr 1900 eingeweiht hat, ist man davon ausgegangen, dass Kiel immer weiter wächst. Da standen Zahlen von bis zu einer Million Einwohnern im Raum. Und die Sargbestattung war damals noch die Regel.“
Weil Särge samt Grabsteinen einfach Platz brauchen, plante man entsprechend üppig. Diese althergebrachte Form nennt sich Wahlgrab. Auf bestimmten Flächen auf dem Friedhof kann man sich einen schönen Ort aussuchen, um dort die Angehörigen zu bestatten. Bislang ging das über Generationen so. Das Nutzungsrecht an der Familiengrabstätte ließ sich praktisch unbegrenzt verlängern.
Das soll sich nun ändern. Der Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein schränkt als Träger die Verlängerung der Nutzungsrechte deutlich ein, und zwar auf den Friedhöfen in den Stadtteilen Neumühlen-Dietrichsdorf, Pries, Holtenau und auf dem Eichhof. Zusätzlich wird es dort von 2021 an auch keine neuen Wahlgrabstätten mehr geben.
„Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen, wir haben sehr lange und ausführlich beraten. Aber wir müssen nun einfach reagieren“, betont Almut Witt. Denn auf den Friedhöfen gibt es immer größere Lücken. Die Kieler Pröpstin stellt klar: „Diese Flächen müssen wir trotzdem pflegen, selbst wenn nur wenige Gräber darauf liegen. Das ist wirtschaftlich auf Dauer nicht zu vertreten.“ Damit, dass sich diese Situation grundlegend ändert, rechnet Friedhofsexperte Spitz-Fischer nicht. „Wir haben in Kiel, alle Friedhöfe zusammengenommen, knapp 120 Hektar Fläche. Das ist ein Vielfaches dessen, was jemals benötigt wird.“
Wer also ein Wahlgrab auf einem der vier betroffenen Friedhöfe besitzt, hat sicherlich bereits Post vom Kirchenkreis erhalten und muss sich entscheiden. „Bis Ende 2021 können diese fast 6.000 Grabstätten auf noch einmal maximal 25 Jahre verlängert werden“, erläutert Spitz-Fischer. „Wer das versäumt oder schlicht nicht möchte, dessen Nutzungsrecht läuft wie vereinbart aus.“
Anders liegt der Fall, wenn zwischenzeitlich eine Bestattung stattfindet. „Nehmen wir an, das Nutzungsrecht läuft regulär noch bis 2030. Im Jahr 2025 stirbt ein Angehöriger und wird in einem Sarg beerdigt. Dann läuft von diesem Zeitpunkt an die sogenannte Ruhezeit, das sind 25 Jahre, also bis zum Jahr 2050“, rechnet der Leiter der Friedhöfe vor. Bis zu zwei solcher sogenannten Anpassungen an die Ruhezeiten sind möglich.
Durch die neue Regelung werden die bestehende klassische Wahlgräber peu à peu aufgelöst. Aus ehemals Gräberfeldern wird Parkland. „Auf längere Sicht werden wir mehr Flächen bekommen, die wir zu Wiesen und Wäldern umgestalten“, sagt Almut Witt.
Pröpstin Witt weist darauf hin: „Mir ist extrem wichtig: Natürlich können sich Angehörige weiterhin für ein Wahlgrab entscheiden, nämlich auf unserem Südfriedhof und in Elmschenhagen. Zusammengenommen bieten unsere sieben Friedhöfe weiterhin alle Bestattungsformen an.“
Oder werden doch irgendwann Grundstücke verkauft und möglichweise sogar zu Bauland umgewidmet? „Ein sensibles Thema“, antwortet die Pröpstin auf die Fragen der Journalisten beim Pressegespräch. „Was in 30 oder 50 Jahren sein wird, kann man heute nicht sagen.“
Wenn es um den Verkauf von eventuellen Grundstücken geht, dann ist das eine Sache kommender Generationen. „Sie und ich werden das bestimmt nicht mehr erleben – auch nicht als Methusalix“, sagt Pressesprecher Jürgen Schindler vom Kirchenkreis Altholstein. „Wenn wir das wirklich hätten beschleunigen wollen, hätten wir an ganz andere Maßnahmen denken müssen. Ich würde die Einschränkung der Nutzungsrechte eher als Schritt sehen, damit unsere Nachfolger handlungsfähig bleiben und eigene kreative Lösungen finden können.“