Jetzt findet jeder den Wanderweg

Moritz Haß präsentiert stolz das Ergebnis seines Schülerpraktikums im Grünflächenamt.

Nachdem der über 60 Kilometer lange Rundweg R1 rund 30 Jahre lang zunehmend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden war, hat nun der Schülerpraktikant Moritz Haß (17) aus Hammer einen Wanderführer erstellt und ein Kataster aller Knackpunkte aufgenommen.

Eigentlich wollte Moritz Haß den neuen Wanderführer der Stadtbaurätin Doris Grondke übergeben. Doch ein Termin kam auch längerfristig nicht zustande. Stattdessen traf er sich gemeinsam mit seinem Praktikumsbetreuer Jens Uwe Mollenhauer auf Einladung mit der zuständigen Amtsleiterin vom Grünflächenamt, Petra Holt­appel.

Noch eine der „besseren“ Wegmarkierungen. Fast 3/4 der Pfeile sind kaputt oder gar nicht mehr auffindbar.

Rundweg ist kaum zu finden
Vor 30 Jahren hatte die Stadt Kiel mit großem Aufwand den Rundweg R1 ins Leben gerufen. Gleichermaßen zum Wandern wie zum Fahrradfahren gedacht, führt dieser noch heute – überwiegend am Stadtrand entlang – um die ganze Stadt herum. Geübte Wanderer schaffen die Strecke in zwei bis drei Tagen. Der Weg wurde einst mit grünen Pfeilen auf Plastikaufklebern markiert. Und hier liegt das Problem. Nach kürzester Zeit war die Wegweisung bereits verwittert, abgerissen und unbrauchbar geworden. Anscheinend fühlte sich auch niemand mehr so recht verantwortlich, die Markierungen zu erneuern. Eine Karte gibt es schon lange nicht mehr. So findet kaum jemand den Weg.
Dem Kieler Tourenleiter und Autor des „Kieler Wanderatlas“, Jens Uwe Mollenhauer, der selbst wöchentlich mit seiner offenen Wandergruppe im Kieler Raum auf Wanderung geht, war dies schon lange ein Dorn im Auge. Als sich der Humboldtschüler Haß zum Schülerpraktikum bei ihm anmeldete, wusste Mollenhauer sofort, auf welches Projekt er den Praktikanten ansetzen würde.

Ins kalte Wasser gesprungen
Was der Praktikant in nur zwei Wochen zustande gebracht hat, ist bemerkenswert. Während seine Mitschüler im Supermarkt Regale einräumten, durfte er sofort ins kalte Wasser springen. Er lernte die Erfassung von GPS-Daten im Gelände, den Umgang mit Grafikprogrammen und die Bedienung Geographischer Informationssysteme (GIS) und Layoutprogramme. Diese neuen Fähigkeiten durfte er gleich für die Erstellung eines kleinen R1-Wanderführers in Atlasform nutzen.
Mit ein wenig Unterstützung ist daraus eine Broschüre entstanden, die zum Abwandern des ganzen Rundwegs R1 verwendbar ist, inklusive detaillierter Landkartenausschnitte.
Außerdem hat Haß mit dem Fahrrad den ganzen Rundweg R1 erkundet und alle Positionen der Wegmarkierungen erfasst. Dürres Fazit hier: 71% aller Wegweiser sind mittlerweile fehlend oder unvollständig. „Kein Wunder, dass man den Weg nicht mehr ohne Karte finden kann, und das bereits seit vielen Jahren“, weiß Mollenhauer zu berichten.

Beim Grünflächenamt vorstellig
Mollenhauer und Haß stellten im Grünflächenamt das Kataster vor. Augenfällig ist die große Zahl fehlender Wegmarkierungen, die Haß auf seinen Erkundungstouren dokumentiert und in eine große Stadtkarte übertragen hat.
Petra Holtappel betonte, dass die Stadt Kiel den Rundweg R1 durchaus nicht aus dem Auge verloren hat. Die Stadtbaurätin Grondke sei einfach viel zu sehr in ihr Projekt R2 „Stadtgartenwanderweg“ zum 100-jährigen Jubiläum des Kieler Grüngürtels eingebunden. Das solle zunächst fertiggestellt werden. Mollenhauer und Haß fragen sich, warum so viel Engagement in ein neues Projekt gestartet wird.

Fehlende Wegmarkierungen
Das Projekt „Stadtgartenwanderweg“ macht noch immer einen unfertigen Eindruck – sicherlich auch dem hohen Krankenstand im Grünflächenamt geschuldet. Das Amt hat immerhin einen attraktiven Flyer gedruckt. Jedoch hängt in der Landschaft auch bei diesem Weg keine einzige Wandermarkierung. Das wäre extrem einfach und schnell umsetzbar, da Aufkleber in Form oranger Kreise günstig und schnell beschaffbar und auch schnell verklebbar sind. Die Amtsleiterin verspricht – da es tatsächlich nur wenig Aufwand bedeutet – sich um die Markierung zu kümmern.
Doch auch der 30 Jahre alte R1 könnte innerhalb von nur zwei Tagen runderneuert werden. Zumindest provisorisch könnten einige hundert Aufkleber in grüner Pfeilform beschafft und angebracht werden. Auch dies trifft auf wohlwollende Zustimmung der Amtsleiterin, die nun prüfen will, ob eine Reparatur der Wegweisung kurzfristig umgesetzt werden kann. Höherwertig war die ursprüngliche Wegweisung auch nicht.
Der Praktikant plädiert aber dafür, mittelfristig stabilere Markierungen anzubringen, da die um ein Vielfaches länger halten. Darüber, so Frau Holtappel, werde man nachdenken, wenn die Streckenführung des R1, die auch in die Jahre gekommen ist und z.B. barrierefrei werden sollte, endlich überarbeitet ist. Wann das sein könnte, darüber gibt es noch keine Aussage.

Wanderweg am Fördeufer
Die Amtsleiterin erwähnt nebenher den einst bereits vorgesehenen R3. Es soll ein Weg dicht am Fördeufer werden. Bis es dazu kommt, werden sicherlich viele Jahre vergehen, weil es im Stadtgebiet einfach zu wenige Wege am Ufer gibt und es nicht gelingen will, z. B. am Prieser Strand, in Dietrichsdorf und vor allem an Werft und Arsenal entsprechende Durchgänge am Wasser zu schaffen.

Offene Wandergruppe für alle
Die offene Wandergruppe trägt übrigens den Namen „Kieler Wanderatlas“ nach dem Buch, das Mollenhauer vor eineinhalb Jahren herausgegeben hat. Die Wandergruppe umfasst derzeit 50 aktive Teilnehmende und weitere 100 Interessenten. Wer neu einsteigen möchte, ist jederzeit willkommen. Regelmäßige Wanderungen – bis zu dreimal in der Woche – werden auf
www.wanderatlas.projektnord.de
angekündigt. Unter t.me/KielWanderAtlas gibt es auch einen Telegram-Chat, in dem kurzfristige Feierabendtouren zu finden sind.

Broschüre im Buchhandel
Die Broschüre „Der Kieler Rundweg R1“ (ISBN 9783931099190) ist im Raum Kiel im Buchhandel und bei der Touristinformation für fünf Euro erhältlich. JM