Die Siedlungsbau-Genossenschaft „Grünes Herz“ wurde im Jahr 1949 gegründet, ihr Zweck ist der Bau und die Betreuung von Kleinwohnungen. Angesichts der großen Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg sollte u. a. Wohnraum für Flüchtlinge und Heimatvertriebene geschaffen werden.
In den Jahren 1950–54 wurden direkt am Vieburger Gehölz auf einer Fläche von 63.940 m² insgesamt 339 Wohnungen für etwa 600 Menschen gebaut. Anlässlich des 70-jährigen Bestehens veröffentlicht die Genossenschaft eine 52-seitige Broschüre (erhältlich im Siedlungsbüro, Von-der-Goltz-Allee 45). Im Heft finden sich zahlreiche Archiv-
fotos, alteingesessene Bewohner kommen zu Wort. Zu lesen gibt es interessante Geschichten, etwa über die handgeschnitzten Straßenschilder, die in Kiel und Umgebung einzigartig sind, oder über den sogenannten Eros-Brunnen. Heidi Kjär, Mitglied im Aufsichtsrat der Genossenschaft, hat aus dem damaligen Briefwechsel die Eckpunkte zusammengetragen.
Brunnen zweckentfremdet
In einem empörten Schreiben vom 29. Januar 1988 wurde der Vorstand der Heimat-Siedlungsbau „Grünes Herz“ eG aufgefordert, den vom Absender, dem Kieler Bildhauer Walter Rössler, 1956 für die Siedlung geschaffenen Brunnen wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. „Ich sah, dass dieser Brunnen inzwischen von seinem ersten an einen zweiten Standort verbracht worden ist. Das Brunnenbecken wurde mit Erde verfüllt und bepflanzt.“ Als keine gute Idee empfand er es, direkt vor der Hauptansicht der Kupferfigur einen Busch zu pflanzen. „Wenn keine Prüderie im Spiele ist, so lassen Sie den Busch bitte umpflanzen oder so stark beschneiden, dass die volle Sicht auf die Vorderseite der Figur wieder hergestellt ist“, wünschte Walter Rössler und verwies auf das Urhebergesetz. Er verlangte in leicht ironischem Ton, dass „diese Kleinigkeiten“ bis spätestens Mai wieder in Ordnung zu bringen seien.
Ob Prüderie im Spiel war, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Die Figur wurde wiederholt mit Gewalt vom Sockel gebrochen. Der Vorstand befürchtete, dass sich die Gefahr einer erneuten Beschädigung durch Kappung oder Entfernung der Bepflanzung erhöhen würde. Als frühe Vertreter des Nachhaltigkeitsgedankens teilte die Genossenschaft weiter mit: „Die Funktion als Brunnen haben wir aufgrund ständiger Verschmutzung und zur Energieersparnis aufgegeben.“
Unbeeindruckt konterte der Künstler: „Ohne Wasserspiel kein Brunnen“ und wiederholte seine Forderungen – nun in schärferem Ton. Auch dem Vorstand reichte es: „Bevor wir diese Angelegenheit unserem Aufsichtsrat vorlegen, wären wir Ihnen noch für eine kurze Nachricht darüber dankbar, ob Sie am Rückerwerb des Brunnens interessiert wären“, teilt er am 14. März 1988 mit.
Rössler sah keine eigene Verwendungsmöglichkeiten für den Brunnen, schlug aber vor, das Kunstwerk dem Nordfriesischen Museum in Husum als Stiftung zu überlassen. Dieses Schreiben vom 30. Juni 1988 trägt den handschriftlichen Vermerk des damaligen Vorstandsvorsitzenden: „Abwarten bis Herr Rössler sich wieder meldet.“ Wie erhofft, löste sich das Problem von selbst. Drei Jahre später wurde die Brunnenfigur gestohlen und ist seitdem verschollen.
(Text: Frahm; Fotos: Privatbesitz)