Schrebergärten erleben derzeit eine ungeahnte Renaissance. Gerade junge Familien entdecken die Pachtgärten für sich, um selbst Obst und Gemüse anzubauen – frei von Pflanzenschutzmitteln. Stichwort Bio.
Die Pandemie hat diesen Boom noch einmal befeuert. Gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren konnten sich alle glücklich schätzen, die einen eigenen Garten haben. Zumal die Pachtpreise moderat sind.
21 Cent pro Quadratmeter kostet es – wohlgemerkt nicht monatlich, sondern für das ganze Jahr. „Vor fünf Jahren waren es noch 13 Cent“, wirft Hans-Joachim Mohr ein, „und 2024 wird nochmal erhöht.“
Im Vorjahr gab es eine enorme Nachfrage nach Kleingärten. „Die Leute standen Schlange bis dahin“, erzählt der 79-jährige stellvertretene Vorsitzende des Kleingärtnervereins Kiel-Hassee und zeigt mit ausgestrecktem Arm aus dem Vereinsheim am Krummbogen 45a.
„Für alle Pachtgärten, die gekündigt werden, haben wir gleich Nachpächter“, versichert Mohr.
Der Kleingärtnerverein Kiel-Hassee umfasst insgesamt rund 700 Parzellen. Die sind verteilt über 25 Anlagen im ganzen Stadtteil. Die Anlage am Baumweg wurde im Vorjahr wegen Altlasten geschlossen. Auch im Gebiet „Neelsen I“ an der Hasseer Straße mussten zehn Parzellen abgegeben werden.
Ein schleichender Prozess, dass sich die Anzahl verringert. „Wir hatten mal 1.500 Gärten“, stellt Siegmund Roeschke fest. Weiteres Ungemach droht dem Verein vonseiten der Stadt Kiel. „Die wollen die Pachtverträge selbst abschließen – nicht mehr über unseren Kreisverband“, klagt der Vorsitzende und mutmaßt: „damit sie leichter an Bauland kommen.“ Was ihm noch mehr zu schaffen macht: „Es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die im Vorstand mitarbeiten wollen“, so der 71-Jährige, der seit fast 40 Jahren als Obmann tätig ist. Ein Dankeschön an dieser Stelle gilt dem langjährigen Vorsitzenden Manfred Schneider. Dieser hat zwölf Jahre lang den Verein geleitet und ist jüngst als Ehrenmitglied ausgezeichnet worden. Ein Vorbild für alle, gerade in der heutigen Zeit.
„Wir sind recht frustriert“, gesteht Roeschke. „Für so eine große Anlage sind wir zu wenig Aktive.“ Er wünscht sich weitere Unterstützung – gerade von der jüngeren Generation. „Die wollen alles gemacht haben, sich aber nicht selbst beteiligen“, moniert er. „Ein richtiges Vereinsleben gibt es heute nicht mehr.“
Der Vorsitzende vermisst die Gemeinschaft und auch die vielen Feste früherer Jahre – seien es Kinderfest, Erntedankfest, die Beteiligung am Waldfest oder auch das 75-jährige Stiftungsfest. „Das war eine ordentliche Feier im Haus des Sports“, erinnert er sich.
Demnächst steht das 100-jährige Jubiläum an. Der Verein wurde am 21. August 1922 ursprünglich als „Kleingärtnerverein Großer Exerzierplatz Kiel-Hassee“ gegründet. „Zum Jubiläum werden wir keinen Empfang geben“, so Roeschke, „eher etwas Gutes für die Natur tun. Vielleicht werden wir ein paar Bäume pflanzen oder Insekten-hotels aufstellen.“ CF