Der VfB Kiel ist ein Verein mit über 100-jähriger Tradition. Auf dem Sportplatz Waldwiese gab es früher nicht nur Fußballspiele vor tausenden von Zuschauern, sondern auch Boxschaukämpfe – u.a. mit Max Schmeling.
Heute knüpft der Verein an alte Zeiten an. Fast 70 Jahre nach Auflösung der Boxsparte startet der Verein für Bewegungsspiele (VfB) Kiel nun eine Kooperation mit dem Boxzentrum Kiel. Dort am Tonberg erzählen der Betreiber Michael Neumann und der Vereinsvorsitzende Nico Florean von ihren neuen Plänen.
Immer offen für neue Ideen
Nico Florean war schon „immer offen für neue Ideen“, wie er verrät. Um ihn versammelt sitzen mehrere Aktive, die sich als eingeschweißte Gemeinschaft präsentieren. „Micha kam auf mich zu. Ich habe den Verein und er die Boxer und Boxerinnen“, führt Nico aus. Er selbst
ist von Kindesbeinen an Mitglied und spielt leidenschaftlich Fußball. „Wir als VfB sind daran interessiert auch mehr Sparten anzubieten, und das passt einfach“, ist er überzeugt. Der Verein möchte nun vermehrt das Interesse bei Kindern und Jugendlichen wecken.
Die Zukunft ist jetzt
Von der Idee der Boxsparte sei er sofort begeistert gewesen. Der VfB-ler machte im Vorstand Werbung dafür und überzeugte die Mitglieder. Er stellt die Frage in den Raum: „Wer bietet sowas schon an?“ Auf kurzem Dienstweg wurde alles eingeleitet und die Eingebung von Michael Neumann, der die Boxer und Boxerinnen in Kiel unter dem Dach des Boxzentrums und dem VfB Kiel vereinen wollte, trug Früchte. Die Athleten und Athletinnen traten in den Verein ein und so bekam der VfB Kiel endlich wieder eine Boxsparte.
Der Pokal für Holger
Der langjährige Boxtrainer Holger Sass konnte die ersten Erfolge nicht mehr selbst miterleben. Er verstarb Anfang Mai. Die im September gegründete Boxsparte heimste gleich beim ersten großen Event (Landesmeisterschaft) einige Pokale ein. „Alle haben zusammengehalten. Es war immer sein Wunsch, nochmal diesen Pokal zu holen“, gibt Michael Neumann zu verstehen. Hier habe man „viele feine und junge Menschen zusammen. Das hier ist wie eine Familie“, sagt er stolz. Während er dies kundtut, nicken die Boxer im Hintergrund.
Boxzentrum besteht seit 2015
Die vorherige Boxhalle in Kronshagen musste abgerissen werden. „Jetzt baue ich mir selbst eine Boxhalle“, dachte sich Michael Neumann. Die Lagerhalle am ehemaligen Güterbahnhof Tonberg stand leer. Der Betreiber habe sich gleich einen Plan gemacht und hat grundsätzlich „keine Angst vor neuen Dingen“. Der seit 28 Jahren selbstständige langjährige Fußballer und Boxer hat Ideen, die er direkt in die Tat umsetzt.
Durchhaltevermögen gelernt
Der Weg von Leon (22 Jahre) steht sinnbildlich auch für andere Kinder. Seine Vorbilder sind Tyson Fury und Canelo Álvarez. Der letztgenannte mexikanische Boxer wurde häufig wegen seiner hellen Hautfarbe und seiner roten Haare gemobbt. Ein Gefühl, das Leon nur zu gut kennt. Seine Lehrerin traute ihm nichts zu, weder im Schulunterricht noch beim Sport. Durch das Boxen hat er Disziplin und Durchhaltevermögen gelernt. Voller Stolz konnte er seiner Lehrerin von damals berichten, dass er seinen Weg gefunden hat. Nicht nur beim Boxen. Nun studiert er BWL an der Fachhochschule Kiel.
Früher galt er als sehr impulsiv. Heute hingegen ist er viel gelassener geworden. „Der Boxsport war bei uns vor dem Fernseher ein Familienevent“, sagt er. Im Oktober bei den Landesmeisterschaften wurde er zum besten Boxer gekürt.
Das Team gibt ihnen Stärke
Beim Gespräch mit den Beteiligten fühlt man den Teamgeist. Im Ring sind die Boxer und Boxerinnen allerdings auf sich allein gestellt. Die Trainer schaffen es, die jungen Menschen zu motivieren und zu bestärken. Lukas (25) wollte schon immer boxen. Seit vier Jahren tut er dies. Seine ersten drei Kämpfe gewann er allesamt. Die „mentale Stärke“ sei entscheidend.
Alexej (19) boxt seit acht Jahren. Sein damaliger Nachbar Sergey nahm ihn mit zum Training. Dessen Sohn ist gleichzeitig sein Kumpel. „Ich habe einfach sehr viel Spaß am Boxen“, sagt er lächelnd. Celine (19) konnte bei der Landesmeisterschaft sogar die deutsche Vizemeisterin im Finale schlagen.
Ein Lächeln als Belohnung
Der 17-jährige Muhammad fuhr Mitte November nach Köln und nahm an der deutschen U18-Meisterschaft teil. Der Boxsport sei zwar mit „hartem Training verbunden“, aber er ist „stets hochmotiviert“. Alles war für ihn neu. Seine Freunde waren beim ersten Kampf dabei. Für ihn war es am Anfang schwer, weil er niemanden enttäuschen wollte. Das Lächeln seiner Familie sei für ihn „Belohnung genug“.
Sein Trainer Arton stellt ihn immer perfekt ein. „Er gibt mir immer wertvolle Tipps, sagt mir was ich kann und ich versuche das alles umzusetzen“, versichert er. Er denkt nicht viel über seinen Gegner nach und setzt den Fokus auf sich.
Jugendliche sind willkommen
Gerade für Kinder und Jugendliche ist der Sport im Verein und der Zusammenhalt eine große Hilfe bei der persönlichen Entwicklung. Die Gefahren von heute von zu viel sozialen Medien, falschem Frustabbau außerhalb des Sports und die immens stark gewachsene Spiele-Industrie sind allgegenwärtig. Hier beim VfB Kiel und im Boxzentrum können sich Kinder und Jugendliche allein und im Team behaupten. Gerade das Gemeinschaftsbild zeigt die hohe Motivation.
Training an drei Tagen die Woche
Training ist am Montag, Mittwoch und Freitag – für Jugendliche von 16 bis 17.30 Uhr, für Erwachsene von 17.30 bis 19 Uhr. MP