Fanprojekt Kiel und „Block501“ sammelten Spenden für Menschen aus der Ukraine
„Und was dann am Spieltag geschah, war spektakulär: Anhängerweise kamen eure Spenden, die vor Ort mit Hilfe der „NorthernLights“ und einigen Freiwilligen bereits vorsortiert in Kartons verpackt wurden“, heißt es auf der Instagram-Seite des Fanprojekts Kiel nach einem Spendenaufruf im März und der Übergabe der Spenden an der polnisch-ukrainischen Grenzen.
Der Holstein-Fan-Dachverband „Block501“ kam nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine auf das AWO-Fanprojekt zu und wollte etwas unternehmen, um den vom Krieg Betroffenen zu helfen. „Wir wollten den pazifistischen Gedanken kanalisieren und die Möglichkeit aufzeigen, dass man etwas auf einem friedlichen Weg bewegen kann“, so Jérôme Mühlstädt, pädagogischer Leiter des Fanprojekts. Gemeinsam fiel die Entscheidung, im Rahmen des Heimspiels gegen den SC Paderborn sowie in der Folge in den Räumen des Fanprojekts Sachspenden zu sammeln und diese gemeinsam an die ukrainische Grenze zu bringen. Ferner sollten weitere Spenden den Geflüchteten, die im Schusterkrug in Kiel-Friedrichsort untergebracht werden, zukommen.
„Wir waren überwältigt von eurer Anteilnahme, überwältigt von euren Unterstützungsangeboten, überwältigt von der Menge an Spenden, die zusammengekommen sind“,
heißt es auf der Seite des Fanprojekts. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen durch den Fußball mobilisiert und für die gute Sache gewonnen werden können.
Zudem hat sich noch einmal mehr gezeigt, dass die Fans die Aktion nicht geplant haben, um sich zu profilieren, sondern um zu helfen“, ergänzt Mühlstädt. Insgesamt wurden 181 Umzugskartons mit Spenden (u.a. Konserven, Babynahrung, medizinisches Material) befüllt. „Das Decatlon-Lager wurde gefühlt leer gekauft, so viele Schlafsäcke und Isomatten hatten wir noch zusätzlich zu den Kartons“, freut sich der Fanprojekt-Mitarbeiter.
Zudem ist er dankbar für die umfassende Unterstützung: „Es war sehr professionell, wir haben so viel Unterstützung bekommen. Auch aus dem Freundeskreis sind direkt einige Leute aktiv geworden, z.B. hat ein Freund allein 4.000 Euro Spendengelder über Steuerkanzleien generiert und ein weiterer sich um ein Fahrzeug gekümmert.“
Bereits im Vorfeld des Spendenaufrufs wurde Netzwerkarbeit betrieben und Kontakt zur Caritas Polen, dem ukrainisch-deutschen Kulturzentrum in Schwerin und zu Delara Burkhardt aus dem Europaparlament in Brüssel aufgenommen. Dies ermöglichte die Auflistung konkret benötigter Spenden und das spätere Anfahren eines Umschlagplatzes an der polnisch-ukrainischen Grenze.
Am 14. März startete die 1.350 Kilometer lange Tour mit zwei bis unters Dach mit Spenden vollgeladenen Sprintern und zwei weiteren komplett beladenen Neunsitzern sowie acht Männern – darunter zwei Mitarbeiter des Fanprojekts und sechs Fans vom „Block501“. „Die Jungs haben durch die Bank alle sofort Urlaub genommen, teilweise sogar unbezahlt“, erklärt Mühlstädt. Nach einer Übernachtung in Frankfurt (Oder) ging es für die Gruppe im Konvoi weiter nach Zamosc, von wo aus die Hilfsgüter an das Spendenlager der Caritas Polen übergeben wurden.
In dem Post des Fanprojekts heißt es zum weiteren Verlauf: „Was nun folgte, ist für uns selbst kaum in Worte zu fassen und wird uns noch lange beschäftigen: Wir fuhren ebenfalls in Zamosc zu einer Geflüchtetensammelstelle, um möglichst vielen Menschen eine sichere Fluchtmöglichkeit nach Deutschland anzubieten. Da wir bereits vorher Kontakt mit einem der Organisatoren vor Ort hatten, warteten bereits acht Personen auf uns. Wir sahen verängstigte Frauen mit Säuglingen auf dem Arm. Uns kamen verwundete Kinder mit Splitterverletzungen entgegen und so ziemlich alle waren äußerst erschöpft von ihrer bisherigen Flucht.“ Fünf Frauen stiegen mit ihren drei Kindern, die teilweise schon acht Tage Flucht aus Charkiw und dem Donbass-Gebiet hinter sich hatten, in die Fahrzeuge der Kieler. Ein Kind und seine Mutter behielten über die folgende 14-stündige Fahrt eine Transportbox mit einem Kaninchen auf dem Schoß. In Warschau konnten dann nach Vorabsprache eine Deutschlehrerin aus Saporischschja und zwei weitere Frau mit ihren drei Kindern eingesammelt werden. Vorgefertigte Symbolkarten, ein vorbereiteter Vorstellungstext und der telefonische 24/7-Kontakt zu einer ehrenamtlichen ukrainischen Übersetzerin aus Hamburg ermöglichten eine Kommunikation. In den frühen Morgenstunden des Folgetages erreichte der Konvoi erschöpft die Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster, wo sich die Ukrainer*innen registrieren und von dort weiter untergebracht werden konnten.
„Es ist noch besser gelaufen, als wir uns das hätten vorstellen können. Bei vielen war es der Wunsch, das Ganze so konkret umzusetzen und zu sehen, dass die Hilfe etwas bewirkt. Nachhaltig beschäftigen mich die Kinder an Bord. Das ist nur schwer verdaulich und darauf kann man sich auch nur schwer vorbereiten. Es gab ein Videotelefonat einer Familie mit dem Mann / Vater, der in Charkiw kämpfen muss und dem das Kind Papa zuruft. Wir haben vor Ort verletzte Menschen mit Verband um den Kopf und Gesichtsverletzungen gesehen sowie ältere Damen, die sich nur schwer auf den Beinen halten konnten und eine lange Flucht hinter sich hatten. Auch mit mehreren Tagen Abstand verbleiben wir zwischen Dankbarkeit für so viel Unterstützung und Leere im Kopf und im Herzen angesichts des Unfassbaren“, resümiert Mühlstädt.
Von den Geldspenden in Höhe von 8.125 Euro verbleibt nach der Tour ein Restbetrag, dazu erklärt der Leiter des Fanprojekts: „Wir werden als Gruppe demnächst gemeinsam entscheiden, was mit den restlichen Spendengeldern passiert. Vielleicht werden wir Teil eines Netzwerks hier vor Ort und organisieren ein Fußballturnier für geflüchtete Kinder. Wir wollen zeigen, dass auch hier in Kiel der Bedarf an Unterstützung groß ist und es auch reicht, sich als Schiedsrichter anzubieten oder beispielsweise einen Trikotsatz zu stellen. Da werden trotz der Umstände bestimmt noch tolle Dinge entstehen in nächster Zeit.“ ST
Fotos: Jérôme Mühlstädt