Erfolgreiches Nachbarschaftsprojekt im Meddagskamp
Ein Buch ist etwas Kostbares. Schließlich haben wir viele Stunden voller Glückseligkeit damit verbracht, haben mitgeliebt und uns mitgeängstigt, die ganz großen Gefühle erlebt, Grenzen und Zeiten überwunden, über philosophische Gedanken nachgedacht, ein Stück über uns gelernt oder andere Länder und Welten entdeckt.
Mit der Zeit füllen immer mehr Bücher die Bücherregale, der Platz wird knapper, und zum Wegwerfen sind sie nun wirklich zu schade. Da sind Büchertauschschränkchen eine richtig gute Idee. Nun können sich andere über unsere Bücher freuen, und gleichzeitig können wir uns zum Nulltarif mit neuem Lesematerial eindecken.
Das dachte sich auch Eva Kessler aus dem Meddagskamp, doch leider gab es so ein nachhaltiges Schränkchen in Kronshagen noch nicht. Eines Tages im Jahr 2020 kam sie auf die Idee, selbst so ein Schränkchen einzurichten.
„Vor der Haustür einer Nachbarfamilie fand ich ein Schränkchen mit dem Schild ‚zu verschenken‘. Sofort dachte ich an meine lang gehegte Idee einer Austauschbörse für Bücher und nahm das Schränkchen mit. Meine Nachbarin Inge Schließmann sah das, fand die Idee klasse und half mir spontan dabei, einen guten Ort zu finden. Wir bekamen die Erlaubnis der Heckenbesitzer Andrea Bastian und Kim Schlichting an der Ecke Sandkoppel / Meddagskamp 11, dass sich das Schränkchen bei Wind an ihrer Hecke anlehnen darf. Als wir dann zu zweit das Schränkchen positioniert hatten, zugegeben sehr wackelig zunächst, und schon Bücher holten, um es zu bestücken, kam unser Nachbar Bernd Bartelsen vorbei. Er half uns sehr geschickt, das Schränkchen auf der schiefen Unterlage zu befestigen, indem er Hölzer so zuschnitt, dass sie die Schieflage ausglichen“, erzählt Eva Kessler begeistert.
Dabei blieb es nicht, denn schnell fühlten sich immer mehr in der Nachbarschaft für das Projekt verantwortlich und brachten ihre Fähigkeiten mit ein. „Ohne die handwerklichen Fähigkeiten von Familie Maaß hätte das nicht wetterfeste Schränkchen nicht lange überlebt. Niklas Maaß baute erfindungsreich ein Dach und sein Vater Hans geht immer wieder regelmäßig vorbei und schaut, ob es noch in Ordnung ist. Wenn es durch Wind und Wetter Schaden genommen hat, dann repariert er es. Immer, wenn ich schon denke, diesmal ist das Schränkchen ein für alle Mal kaputt, dann findet er wieder eine schlaue Lösung“, freut sich die Initiatorin über die Hilfsbereitschaft in ihrer Nachbarschaft.
Das Schränkchen wird begeistert angenommen. Jeden Tag stehen Menschen davor, stöbern, lesen in Bücher rein, nehmen sie mit oder bringen selbst ein Buch vorbei. Andere Lesebegeisterte bleiben stehen. Man spricht über die Bücher, tauscht sich aus, kommt ins Gespräch. So ist das Schränkchen längst mehr als nur ein Bücherschränkchen und gehört fest zum Viertel dazu.
„Wir befürchteten am Anfang, dass sich das Schränkchen nicht immer wieder neu füllen würde und es „Ladenhüter“ geben würde. Aber diese Angst war unbegründet. Der Inhalt erneuert sich sehr schnell von selbst. Immer, wenn ich hingehe, sind überraschend andere Bücher da“, freut sich Eva Kessler und ergänzt: „Keinesfalls machen wir mit dem Bücherschränkchen unserem heiß geliebten Kronshagener Buchladen Konkurrenz. Im Gegenteil: Seit wir das Bücherschränkchen haben, kaufe ich viel leichteren Herzens neue Bücher, weil ich weiß, dass sie nach dem Lesen noch andere Leser finden werden. Wenn ich sie ins Schränkchen stelle, male ich mir aus, welch eine Reise das Buch nun antritt oder wie die anderen aus dem Viertel über das Buch denken. Das macht Spaß.“
Text und Fotos: Silke Umlauff